Leiharbeit - Beispiele zum Nachmachen
So geht's: Grammer Hardheim übernimmt über 50 Leihbeschäftigte

Beim Autozulieferer Grammer Interior Components in Hardheim / Baden-Württemberg wurden gut 50 Leihbeschäftigte übernommen. Das hat der Betriebsrat mit Unterstützung des Gewerkschaftlichen Erschließungsprojekts (GEP) der IG Metall Baden-Württemberg erreicht. So haben sie es gemacht.

5. Oktober 20235. 10. 2023


Beim Autozulieferer Grammer Interior Components in Hardheim / Baden-Württemberg wurden in den letzten zwei Jahren gut 50 Leihbeschäftigte von ursprünglich 150 übernommen. Das hat der Betriebsrat erreicht, indem er konsequent seine Mitbestimmungsrechte nutzte und die Zustimmung zu Einstellungen verweigerte. Aber vor allem durch politischen Druck und die systematische Beteiligung der Beschäftigten..

 

Betriebsrat kündigt Betriebsvereinbarung zu Leiharbeit

Vor rund fünf Jahren kündigte der Betriebsrat die Betriebsvereinbarung zur Leiharbeit, die eine Leiharbeitsquote von 15 Prozent beinhaltet hatte.

Auf Grund von Facharbeitermangel war der Anteil der Leihbeschäftigte teilweise auf weit über 25 Prozent gestiegen. Viele davon wurden nach Ablauf der Höchstüberlassungsdauer abgemeldet und für drei Monate sozusagen „geparkt“, um dann wieder als neue Zeitarbeitnehmer zurückgeholt zu werden. Eine Schande aus Sicht des Betriebsrats.

„Da haben wir gesagt: Jetzt ist Schluss“, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Ralf Latterner. „Wir haben dem Arbeitgeber auf einer Betriebsversammlung klargemacht, dass wir auf die Übernahme von Leihbeschäftigten auf dauerhaften Arbeitsplätzen bestehen, wie im Tarifvertrag Leiharbeit vorgesehen – und dass wir sonst keiner Einstellung von Leihbeschäftigten mehr zustimmen werden.“ Das zogen die Betriebsräte bei Grammer in Hardheim dann auch durch.
 

Betriebsrat verweigert Zustimmung

Beispiel in der Logistik. Dort behauptete der Arbeitgeber, zehn Leihbeschäftigte nicht übernehmen zu können, obwohl Arbeit da war. Der Betriebsrat verweigerte die Einstellung neuer Leihbeschäftigter und setzte eine Betriebsvereinbarung durch: Der Einsatz wurde auf 36 Monate verlängert, im Gegenzug musste der Arbeitgeber die Übernahme zusichern.

Doch dann waren nach Ablauf der 36 Monate angeblich zwei Arbeitsplätze nicht mehr vorhanden. Der Betriebsrat überprüfte den Sachverhalt und stellte fest, dass ein Arbeitsplatz weiterhin benötigt wird. Auf Drängen des Betriebsrates wurde auch der Leiharbeitnehmer zu Grammer übernommen.  
 

Politischer Druck und Rückhalt der Belegschaft entscheidend

Zwar könnte der Arbeitgeber zum Arbeitsgericht gehen, um sich die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Leihbeschäftigten ersetzen zu lassen. Aber das hat er nie gemacht. Denn noch entscheidender als der juristische Druck war der politische Druck, den der Betriebsrat aufbaute: Er machte Leiharbeit zum Thema auf Versammlungen und Infoveranstaltungen, bot Sprechstunden für Leihbeschäftigte an und führte viele Gespräche bei seinen täglichen Rundgängen. Dabei wurden sie von der IG Metall unterstützt, die in der Geschäftsstelle Tauberbischofsheim im Rahmen eines Geschäftsstellenprozesses Workshops und Kommunikationsseminare veranstaltete, in denen Betriebsräte und Vertrauensleute Methoden und Werkzeuge für die systematische Ansprache der Beschäftigten erwerben konnten.

Und die Beschäftigten bei Grammer zeigen immer wieder, dass sie geschlossen hinter dem Betriebsrat und den Leihbeschäftigten stehen. Vor rund zwei Jahren etwa wollte der Arbeitgeber für ein paar Wochen Wochenendarbeit in der Abteilung Montage.

Die Beschäftigten waren zu diesem Zeitpunkt bereits überlastet. Als Bedingung für die Mehrarbeit verlangte der Betriebsrat, dass im Gegenzug Leihbeschäftigte in der Abteilung übernommen werden. „Wir haben mit den Leuten gesprochen“, erzählt der frühere Schichtleiter Ralf Latterner, „und die Stammbeschäftigten haben dann Mehrarbeit für die Übernahme der Leihbeschäftigten geleistet.“ Schritt für Schritt holten sie so Leihbeschäftigte rein.
 

„Leiharbeit ist tatsächlich teurer“

Außerdem überzeugen die Betriebsräte bei Grammer in Hardheim auch mit Argumenten.

„Die Arbeit muss ja gemacht werden - doch auf dem Arbeitsmarkt findet man ja keine Leute mehr“, erklärt Latterner. „Zudem haben wir dem Arbeitgeber mit Zahlen belegt, dass er mit Leiharbeit tatsächlich höhere Kosten hat: Wenn er wieder neue Leihbeschäftigte einstellt, geht erst mal die Produktivität runter und der Ausschuss nach oben. Und nach neun Monaten Einsatz, wenn der tarifliche Branchenzuschlag dann auf 50 Prozent steigt, rechnet sich Leiharbeit gar nicht mehr.“

 

Stark durch Beteiligung und viele IG Metall-Mitglieder

Schließlich sah die Arbeitgeberseite von Grammer auf einer Betriebsversammlung Anfang dieses Jahres ein, die Leiharbeit zu reduzieren. 50 Leihbeschäftigte sind nun bereits übernommen – erst mal befristet. Weitere stehen an. „Klar haben wir Verständnis dafür, dass der Arbeitgeber auch Flexibilität braucht, gerade in der Autoindustrie“, meint Ralf Latterner. „Aber 100 Leihbeschäftigte bei rund 680 Beschäftigten sind uns immer noch zu viel.“

Dass die Übernahme von Leihbeschäftigten bei Grammer in Hardheim funktioniert, liegt vor allem daran, dass die Betriebsräte viel Arbeit investieren, gut kommunizieren und die Beschäftigten beteiligen, erklärt Antonio Caliendo vom Gewerkschaftlichen Erschließungsprojekt der IG Metall Baden-Württemberg in der Geschäftsstelle Tauberbischofsheim. „Und natürlich hat der Betriebsrat auch den nötigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad im Rücken, um Druck auf den Arbeitgeber zu machen.“