„Wir werden nicht an den Mitgliedern sparen“

Trotz geringerer Einnahmen wird die IG Metall keine Abstriche bei den Leistungen für Mitglieder oder beim Arbeitskampf machen, erläutert Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall.

1. Oktober 20201. 10. 2020
Interview: Jan Chaberny


Lieber Jürgen, die Coronapandemie hat Auswirkungen auf alle und alles – auch auf die Finanzen der IG Metall.

Jürgen Kerner: Das ist so. Die IG Metall finanziert sich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder. Die waren 2019 stabil. Seit Frühjahr 2020 aber, seit Beginn der Coronakrise, sinken die Beitragseinnahmen. Viele Kolleginnen und Kollegen mussten in Kurzarbeit. Viele Betriebe stecken in Schwierigkeiten. Natürlich wirkt sich das auf die Beitragszahlungen aus und natürlich stellt uns das vor Herausforderungen.


Wenn die Einnahmen sinken, müssen die Ausgaben überprüft werden …

Stimmt. Schließlich sind es die Beiträge unserer Mitglieder. Wir werden nicht bei den Mitgliedern sparen. Sie erhalten weiterhin umfangreiche Unterstützungs- und Satzungsleistungen wie Rechtsschutz in Arbeits- und Sozialrechtsfragen oder Freizeitunfallversicherung. Zudem bleiben wir in der Fläche präsent. Für uns ist es elementar, vor Ort in den Betrieben handlungsfähig zu sein, nah bei unseren Mitgliedern. In der aktuellen Situation, wo von vielen Seiten mit Arbeitsplatzabbau gedroht wird, werden wir keinen Konflikt meiden.


Wo wollt Ihr dann sparen?

Kurzfristig gehen wir die Positionen durch, wo wir schnell Einsparungen realisieren können. Mittelfristig prüfen wir Schritt für Schritt unsere gesamte Arbeitsweise. Wir wollen auch mehr standardisieren und digitalisieren. Das haben wir schon vor Corona gestartet.  


Also Ausgaben senken, aber nicht bei den Leistungen für Mitglieder und im Arbeitskampf?

Das ist die Richtung. Entscheidend ist aber, dass wir mehr Mitglieder gewinnen – denn eines ist klar: Es ist die Solidarität unserer 2,2 Millionen Mitglieder, die uns politische Stärke, finanzielle Kraft und Unabhängigkeit gibt. Deshalb ist es so wichtig, dass es uns jetzt gelingt, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen von der IG Metall zu überzeugen. Die Junge IG Metall spricht aktuell die neuen Auszubildenden an. Dabei braucht sie – gerade in Pandemiezeiten – die Unterstützung der gesamten Organisation.


Wie läuft das ab?

Für die neuen Auszubildenden gibt es Begrüßungsrunden. Dort stellen die Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Betriebsrat und die IG Metall sich und ihre Arbeit vor. Wir wollen die Aufmerksamkeit auf die Gewerkschaftsleistungen lenken und neue Kolleginnen und Kollegen für die IG Metall gewinnen. Wegen der Coronakrise laufen die Begrüßungsrunden in diesem Jahr oft anders ab: Es finden kleinere und daher mehr Veranstaltungen statt. Darauf haben sich alle in der Fläche vorbereitet und unterstützen gemeinsam die Junge IG Metall bei dieser wichtigen Aufgabe.


Die Coronakrise hat eine schwere Wirtschaftskrise verursacht ...

Ja. Corona hat die Wirtschaft einbrechen lassen. Gleichzeitig wirkt das Virus als Beschleuniger der Transformation der Arbeitswelt. Die Transformation hat enorm an Fahrt gewonnen. Wir müssen – in den Betrieben, regional und bundesweit – den Austausch intensivieren und Lösungen erarbeiten, um die Arbeitsplätze in unseren Branchen zukunftssicher zu machen.


Haben die Unternehmen denn noch die Mittel, um die für die Transformation notwendigen Investitionen zu stemmen?

Das ist unterschiedlich, je nach Branche und Grad der Herausforderungen. Nehmen wir zum Beispiel die Stahlindustrie. Die Umstellung auf klimaneutrale Stahlproduktion wird Milliarden kosten, Geld, das in der Stahlindustrie nicht da ist, nach Corona erst recht nicht mehr. Alle Stahlunternehmen verlieren aktuell jeden Monat Millionenbeträge. Und das zu einem Zeitpunkt, wo eigentlich Investitionen getätigt werden müssten. Damit wird ein Leuchtturmprojekt für die Zukunft des Industriestandorts Deutschland gefährdet, das zugleich entscheidend für die Umsetzung der Klimaziele ist. Der Staat ist gefordert, unterstützend einzugreifen, damit dieses wichtige Projekt gelingen kann: sozial, ökologisch und demokratisch.


Wo liegen für Dich die großen Aufgaben der nächsten Monate?

Wir werden im Herbst an vielen Stellen und in vielen Betrieben dafür kämpfen müssen, dass Jobs erhalten bleiben, dass Unternehmen nicht in die Insolvenz rutschen, dass Beschäftigte eine Zukunft haben. Wir entwickeln Konzepte für einen fairen Wandel, die wir mit dem Management diskutieren. Wenn sich Arbeitgeber aber verweigern, stellen wir uns auf die Hinterbeine, dann wird es ein heißer Herbst. Wir scheuen keine Arbeitskämpfe und dafür wird auch immer ausreichend Geld da sein.

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