Entwicklungsdienstleister Volke
Wenn Du aus der Kurzarbeit kommst und der Schlüssel nicht mehr passt

Einst entwarfen sie den VW Beetle – doch für die Zukunft hat der Entwicklungsdienstleister Volke in Wolfsburg keinen Plan. In zwei Jahren sind 200 Beschäftigte gegangen. Der Großteil wurde über Kurzarbeit zermürbt und rausgemobbt. Mehr Geld gab es zuletzt 2014. Die IG Metall macht jetzt Druck.

27. Juni 202327. 6. 2023


„Asozial!“ schallt es hinauf zum Fenster des Personalleiters, der die Demo mit dem Handy filmt. 180 Metallerinnen und Metaller haben die Werkseinfahrt des Entwicklungsdienstleisters Volke in Wolfsburg dichtgemacht – unter den Augen von Security-Mitarbeitern, die sofort einschreiten, wenn jemand einen halben Fuß auf das Betriebsgelände setzt.

Rund 40 Volke-Beschäftigte kommen raus – trotz massiver Drohkulisse. Sie werden solidarisch unterstützt von Vertrauensleuten der IG Metall aus umliegenden Betrieben, von VW, HCL, Bertrandt, Cariad, VW GIS, VW Group Service, Autovision, Ceva, Schnellecke, dem Autohaus Wolfsburg und den IG Metall-Senioren. Sie sind empört darüber, was bei Volke abgeht: Beschäftigte werden rausgemobbt. Einen Plan für die Zukunft gibt es nicht. Vorschläge des Betriebsrats und der IG Metall werden in den Wind geschlagen.

„Früher war das hier eine tolle Firma. Ich habe 15 Jahre lang mit Kolleginnen und Kollegen von Volke gearbeitet“, berichtet Stefan Henze, Betriebsrat bei der VW-Softwaretochter Cariad. „Wie man so was in wenigen Jahren so kaputtmachen kann.“


200 Beschäftigte rausgemobbt und vergrault

Gut 200 der einst 750 Beschäftigten wurden hier in anderthalb Jahren abgebaut, der Großteil über billige Aufhebungsverträge. „10.000 Euro Abfindung für Leute, die 20 Jahre hier gearbeitet haben, das ist – asozial“, ruft Türker Baloglu von der IG Metall Wolfsburg hinauf zum Personalleiter. Mindestens 4 Millionen Euro hat Volke so gegenüber einem ordentlichen Sozialplan gespart, hat Baloglu ausgerechnet.

Beschäftigte, die das Management loswerden will, werden gezielt mürbe gemacht. Man habe keine Arbeit mehr für sie, heißt es. Einige werden mit Hilfsarbeiten beschäftigt: Fenster putzen, malern oder Fliesen verlegen.

Andere werden in Kurzarbeit nach Hause geschickt, bis zu zwei Jahre lang. Wenn sie wiederkommen, wartet der Aufhebungsvertrag auf sie. Beschäftigte berichten zudem, dass ihr Büroschlüssel bei ihrer Rückkehr nicht mehr passte. Tschüss.


Seit 2014 keine Entgelterhöhung

Mittlerweile gehen die Leute von sich aus, vor allem die Leistungsträger, die Volke eigentlich halten will. Die Konkurrenz um Fachkräfte in der Region ist groß. Bei einer Umfrage des Betriebsrats sagten 97 Prozent, dass sie Volke nicht als Arbeitgeber weiterempfehlen würden. 73 Prozent wollen weg.

Kein Wunder: Eine allgemeine Entgelterhöhung gab es bei Volke seit 2014 nicht mehr. Einen Tarifvertrag gibt es nicht. Die Gehälter liegen – je nach Nase – 20 bis 40 Prozent unter dem Metall-Tarif.

„Es kann doch nicht sein, dass es in Wolfsburg bei VW um die Ecke so einen stinkigen Arbeitgeber gibt“, ärgert sich Ingolf Meyer, Betriebsrat beim Kontraktlogistiker Ceva. Dort geht es – dank IG Metall und Tarif – deutlich fairer zu als bei Volke.


Geschäftsführung hat keinen Plan

Mit der IG Metall will der über 80-jährige Firmengründer Martin Volke, der zweimal in der Woche mit dem Privatflieger aus Österreich kommt, nicht reden. Doch der Betriebsrat hat die IG Metall eingeschaltet.

Und Beschäftigte kommen zur IG Metall. Ende 2021 wollte Volke plötzlich kein Weihnachtsgeld mehr zahlen, obwohl es eine gültige Gesamtzusage gab. Die IG Metall half ihnen, ihr Weihnachtsgeld geltend zu machen. Und durch den Druck der IG Metall und des Betriebsrats zahlt Volke jetzt auch eine Inflationsausgleichsprämie. Erst sollten es bis Ende 2023 nur 1700 Euro sein. Doch jetzt gibt es weitere 1300 Euro.

Immer mehr treten in die IG Metall ein. Und wenn sie zum Personalgespräch zitiert werden, dann sagen sie: Nur mit meinem Gewerkschaftssekretär.

„Auf der letzten Betriebsversammlung wurde die Geschäftsführung ausgebuht. Ich habe sie gefragt, wie ihre Pläne für die Zukunft konkret aussehen – und sie hatten keine Antworten“, erzählt IG Metall-Sekretär Türker Baloglu. Am Ende seiner Rede auf der Demo ruft er Volke zu: „Hören Sie auf mit den Drohungen und machen Sie einfach ihren Job. Übernehmen Sie endlich Verantwortung. Das war unser Weckruf!“

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