19. August 2024
Betriebsverfassungsrecht
Mitbestimmung beim Arbeitsentgelt
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Betriebsrat mitbestimmen darf, wenn der Arbeitgeber die Regeln für Gratifikationen ändert.

Nach Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ein Mitbestimmungsrecht. Dies gilt insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt.

Die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen unterliegen der Mitbestimmung. Die Entlohnungsgrundsätze im Sinne des Paragrafen 87 Absatz 1 Nummer 10 BetrVG umfassen die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie legen das System fest, nach dem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Sie definieren die allgemeinen Vorgaben, die die Grundlage für die Vergütung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bilden. Die Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder nach Leistung sowie die daraus folgende Ausgestaltung des Systems sind ebenfalls zu nennen.
 

Rechtliche Grundlage unerheblich

Für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats ist unerheblich, auf welcher rechtlichen Grundlage die bisherigen Entlohnungsgrundsätze angewendet wurden. Dies kann auf Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung erfolgen. Gemäß der Konzeption des Paragrafen 87 Absatz 1 Nummer 10 BetrVG ist das Mitbestimmungsrecht nicht vom Geltungsgrund der Entgeltleistung abhängig, sondern erfordert lediglich das Vorliegen eines kollektiven Tatbestandes. Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts ist jedoch nicht Gegenstand des Beteiligungsrechts gemäß Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 10 BetrVG. Ein tarifungebundener Arbeitgeber hat daher die Möglichkeit, kollektivrechtlich das gesamte Volumen der von ihm für die Vergütung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereitgestellten Mittel mitbestimmungsfrei festzulegen. Bei der Verteilung der Gesamtvergütung steht dem Arbeitgeber ein Entscheidungsspielraum zu, wobei der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat.
 

Mitbestimmung bei Einführung und Änderung

Die Betriebsparteien sind dazu verpflichtet, für alle Vergütungsbestandteile Entlohnungsgrundsätze im Sinne des Paragrafen 87 Absatz 1 Nummer 10 BetrVG aufzustellen. Diese müssen eine am Normzweck des Mitbestimmungsrechts ausgerichtete Verteilung der Vergütung gewährleisten. Dies bedeutet, dass nicht nur die Einführung, sondern auch die Änderung der im Betrieb für die Verteilung der Gesamtvergütung aufgestellten Entlohnungsgrundsätze dem Mitbestimmungsrecht unterliegt. Eine Aufspaltung der Gesamtvergütung in mehrere Vergütungsbestandteile steht dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen. Die Gesamtheit der Vergütungsordnung unterliegt bei deren Veränderung ebenfalls dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Daher hat der Betriebsrat zwar keinen Einfluss auf die Höhe der Bezüge, wenn der Arbeitgeber neue Entgeltbestandteile einführt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erstreckt sich auch auf die Festlegung der Verhältnisse der Entgeltbestandteile zueinander. Sollte der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats eine Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze zu Lasten der Belegschaft vorgenommen haben, können die Beschäftigten eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmungsgemäß eingeführten Entlohnungsgrundsätze fordern.

Hier geht es zum Vollstext der BAG-Entscheidung vom 21. Februar 2024 – 10 AZR 345/22.


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