Wenn ein Arbeitnehmer gekündigt wird, gegen seine Kündigung klagt und dann gerichtlich auch Recht bekommt, steht mit der Rechtskraft des Urteils auch fest, dass sein Arbeitsverhältnis fortbesteht. Wird er dann nicht beschäftigt, gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug.Der Beschäftigte muss dazu seine Arbeitsleistung nicht wörtlich oder tatsächlich angeboten haben. Denn in der Kündigung des Arbeitgebers liegt zugleich die Erklärung, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist beziehungsweise bei der fristlosen Kündigung nach deren Zugang nicht mehr anzunehmen.
Rechtsfolge des Annahmeverzugsnach Paragraf 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch ist die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs. Der Arbeitnehmer hat trotz Nichtleistung der Arbeit Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Der Arbeitnehmer soll während des Annahmeverzugs so gestellt werden, als hätte er gearbeitet. Erfasst ist damit der Bruttoverdienst mit allen Entgeltbestandteilen, einschließlich des Urlaubsgeldes.
Allerdings muss sich der Arbeitnehmer einen erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen. Dies bestimmt Paragraf 11 Kündigungsschutzgesetz. Dasselbe gilt auch, wenn er es böswillig unterlassen hat, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Dann reduziert sich sein Annahmeverzugslohn um das, was er hätte verdienen können. Anzurechnen sind auch anderweitige Leistungen wie Arbeitslosengeld und Sozialhilfe.
Anderweitiger Verdienst ist aber nur dann anzurechnen, wenn er ursächlich durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde. Dabei ist unerheblich, in welcher Weise die freigewordene Arbeitskraft verwertet wird. Anzurechnen sind deshalb nicht nur Entgelte aus einem Arbeitsverhältnis, sondern auch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit oder einem freien Mitarbeiterverhältnis. Erzielt der Arbeitnehmer durch eine Tätigkeit während des Annahmeverzugs erst später einen Ertrag, kommt eine anteilmäßige Anrechnung in Betracht, die der Arbeitsleistung im Verzugszeitraum entspricht.
Ein Fall von böswilliger Unterlassung der Erzielung eines anderweitigen Verdienstes, liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach treu und glauben unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Dasselbe gilt, wenn sich der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Zahlungspflicht des Arbeitgebers vorsätzlich mit einer zu geringen Vergütung zufriedengibt. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht aber insoweit nicht aus.
Als letztes ist noch folgendes zu berücksichtigen: Der Arbeitgeber kommt trotz Nichtannahme der Arbeitsleistung dann nicht in Annahmeverzug, wenn ihm nach treu und glauben unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar ist. Anerkannt sind unter anderem Fälle, in denen bei Annahme der Arbeitsleitung strafrechtlich geschützte Interessen des Arbeitgebers, seine Angehörigen oder anderer Betriebsangehöriger unmittelbar oder mittelbar nachhaltig so gefährdet werden, dass die Abwehr dieser Gefährdung Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes haben muss. Es muss also ein ungewöhnlich schwerer Verstoß gegen allgemeine Verhaltenspflichten vorliegen, der den Arbeitgeber berechtigt, die Dienste abzulehnen.
BAG vom 24. Januar 2024 – 5 AZR 331/22