Mitbestimmung
Wann ist die Verlegung des Arbeitsplatzes eine Versetzung?
Wenn innerhalb einer Großstadt ganze Abteilungen oder Teams an einen anderen Standort verlegt werden, ist dies keine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es für die Mitbestimmungspflicht auf alle Änderungen in ihrer Gesamtheit ankommt.
Bekanntlich ist der Betriebsrat nach Paragraf 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) stets bei Versetzungen zu beteiligen. Wann eine solche bei einer örtlichen Veränderung vorliegt, dazu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) folgende Grundsätze aufgestellt:
- Eine nach dem Paragrafen 95 und 99 BetrVG zustimmungspflichtige Versetzung liegt bei Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vor, die die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
- „Arbeitsbereich“ sind die Aufgaben und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Der Begriff ist räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert, dass diese neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nun mehr als eine „andere“ anzusehen ist. Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben. Es kann sich aber auch um eine Änderung des Arbeitsorts oder der Art der Tätigkeit handeln, das heißt der Art und Weise, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist. Dasselbe gilt bei einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitsnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit.
- In der Zuweisung eines anderen Arbeitsorts kann auch bei ihrer Art nach gleichbleibender Tätigkeit eine Versetzung liegen. Hingegen handelt es sich nicht um Versetzungen der betroffenen einzelnen Arbeitnehmer, wenn betriebliche Einheiten am Sitz des Betriebs um wenige Kilometer innerhalb einer politischen Gemeinde insgesamt verlagert werden, ohne das sich am konkreten Arbeitsplatz der Arbeitnehmer und seiner Beziehung zur betrieblichen Umgebung sonst etwas ändert.
- Wird allerdings nicht der gesamte Betrieb oder eine räumlich gesonderte oder ein räumlich gesonderter Betriebsteil insgesamt verlagert, sondern eine Betriebsabteilung aus einem Betrieb ausgelagert, so verändert sich für deren Arbeitnehmer das betriebliche Umfeld. Typischer Weise ist dabei die Veränderung der betrieblichen Umgebung umso größer, je kleiner die verlegte Betriebsabteilung ist.
Räumliche Verlagerung ist keine mitbestimmungspflichtige Versetzung
Im konkreten Streitfall ging es um eine Stadtbezirksübergreifenden Standortverlagerung in Berlin. Das Bundesarbeitsgericht hat die Annahme des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg nicht beanstandet, dass eine Entfernung von 12,1 Kilometern zwischen den bisherigen und dem neuen Standort keine für die Annahme einer Versetzung entscheidende Bedeutung hat.
Zwar könnten sich dadurch die Wegezeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht unerheblich verändert haben. Daraus gegebenenfalls für die betroffenen Arbeitnehmer resultierende wirtschaftliche Nachteile könnten unter den Voraussetzungen des Paragrafen 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG durch einen Sozialplan auszugleichen oder abzumildern sein.
Hier geht es zum Volltext der BAG-Entscheidung vom 17. November 2021 – 7 ABR 18/20.