Die Soziologin Jutta Allmendinger hat Antworten – und fordert auch den Männern einiges ab. Dass es dringend neue Antworten auf die Frage braucht, wie wir die Lohnlücke schließen, zeigen aktuelle Zahlen: Männer verdienen durchschnittlich18 Prozent mehr als Frauen. Die Zahlen von 2021 und 2022 unterscheiden sich also nicht. Die Messmethode vom statistischen Bundesamt wurde leicht geändert – eine absolute Vergleichbarkeit ist also nicht gegeben. Besonders interessant wird es dann, wenn man den sogenannten bereinigten Gender Pay Gap betrachtet, also wie viel verdienen Frauen bei gleicher Qualifikation und gleicher Tätigkeit weniger. Dieser ist um einen Prozentpunkt auf 7 Prozent gewachsen. Es geht aber auch noch plastischer: Eine Million Euro weniger verdient nach einer Beispielrechnung der Bertelsmann-Stiftung eine Frau, Jahrgang 1985, zwei Kinder, als ein Mann mit den gleichen Merkmalen.
Was tun mit diesen neuen, alten Zahlen, die eine echte Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern wieder in die Ferne zu rücken scheint? „Wir reduzieren die Entgeltlücke in den Betrieben in unseren Branchen und greifen das Thema Arbeitszeit als zentralen Anker partnerschaftlicher Arbeitsteilung in Beruf und Familie auf. Davon profitieren Männer und Frauen“, hat jüngst erst Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, auf der Frauenkonferenz gesagt. Die IG Metall fordert eine schnelle Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie in Deutschland. So soll sichergestellt werden, dass Diskriminierungen bei ungleicher Bezahlung besser aufgedeckt werden können und branchenübergreifende Überwachungsstellen eingerichtet werden.
Jutta Allmendinger ist Soziologin und spricht häufig zu einer großen Öffentlichkeit in den Medien zu der Frage, was tun gegen diese anhaltende Ungleichheit in der Gesellschaft und Arbeitswelt. Sie macht klar: Was aktuell an Kompensationen, wie den zusätzlichen Rentenpunkten für Kindererziehung, geleistet wird, geht nicht an die Ursachen der Lohnlücke und es reiche bei weitem auch nicht aus. „Es geht um Arbeitsbedingungen und es geht um Entwicklungsmöglichkeiten“, sagte die Soziologin ebenfalls auf der 22. Frauenkonferenz der IG Metall im Februar 2023 – und dafür brauche es die Gewerkschaften.
Sie identifiziert zwei Wege um langfristig Handarbeit an die ungleiche Bezahlung anzulegen, also aktiv Veränderungen herbeizuführen. Der eine Weg sei über die Arbeitszeit zu erreichen. „Entweder müssen Frauen in Vollzeit gehen oder Männer müssen raus aus der Vollzeit und ebenfalls mehr Arbeitszeit reduzieren“, sagt sie. Eine gleiche Verteilung in die eine oder andere Richtung sei aber unabdingbar, nicht nur um gleiche Löhne und Gehälter herzustellen, sondern auch um zu gewährleisten, dass unbezahlte Fürsorgearbeit gleicher zwischen Männern und Frauen verteilt werde. Den zweiten Weg sieht Allmendinger darin, dass Männer grundsätzlich auch in die schlechter bezahlten sogenannten Frauenberufe rein müssten, wie zum Beispiel in Pflegeberufe.
„Was zählt ist, dass wir diese Lücke schließen“, sagt die Soziologin. Bei der Frage, welches Arbeitszeitmodell sie sinnvoller fände, also mehr Frauen in Vollzeit oder mehr Männer in Teilzeit, zieht die 67-Jährige eine klare Position. „Es ist der falsche Weg, die Arbeitsstunden weiter zu erhöhen“, sagt sie. „Wir sollten uns von dem Begriff des Fachkräftemangels nicht verrückt machen lassen. Wir wissen, dass sich Produktivität nicht linear zur Dauer der Arbeitszeit verhält – ganz im Gegenteil.“
Auch die IG Metall setzt sich für kürzere Arbeitszeitmodelle ein. „Wir haben gute Konzepte für konkrete Teilhabe: Intelligente Arbeitszeitkonzepte, 4-Tage-Woche, kurze Vollzeit – das ist die Richtung, in die unsere Debatte geht“, so Christiane Benner bei der Konferenz.
Bei den Frauen ist klar: Gelingen kann das nur gemeinsam. „Wir brauchen uns gar keine Illusionen machen, dass sich ohne unsere Solidarisierung untereinander irgendetwas bewegen wird“, sagte Jutta Allmendinger und erntete breiten Applaus.