Shawn Fain: Seit mehr als vierzig Jahren führen die Arbeitgeber einen Krieg gegen die Arbeiterklasse. Sie haben die Regeln des Welthandels manipuliert. Sie haben Land gegen Land, Arbeiter gegen Arbeiter in einem langen Wettlauf nach unten ausgespielt. Niemand gewinnt dieses Rennen, außer der Klasse der Milliardäre. Wir sagen der Milliardärsklasse, dass dieses Rennen nun vorbei ist, angefangen bei den Großen Drei. General Motors, Ford und Stellantis haben in den letzten zehn Jahren in Nordamerika eine Viertel Billion Dollar Gewinn gemacht. Die Löhne der Automobilarbeiter sind immer weiter zurückgefallen. Mit dem Stand Up Strike (Streiks, die nach und nach auf weitere Betriebe ausgeweitet werden) zeigen wir, dass wir stärker sind als die Konzerne, die versuchen, uns niederzuhalten, wenn sich die Arbeiter zusammenschließen und strategisch vorgehen.
Shawn Fain: Die UAW-Mitglieder haben die Gier der Unternehmen und die unternehmensfreundliche Politik, die jahrelang in der UAW herrschte, satt. Wir führen die Verhandlungen vom ersten Tag an offen und transparent. Unsere Mitglieder fordern einen Ausgleich nach so vielen Jahren, in denen ihre Reallöhne zurückgingen. Die Unternehmen machten Rekordgewinne, also forderten unsere Mitglieder Rekordtarifverträge. Wir wenden neue Streikstrategien an und gewinnen wie nie zuvor. Diesmal bestreiken wir alle drei großen Unternehmen auf einmal und weiten unseren Stand Up Strike im Laufe der Zeit aus, um einen Rekordtarifvertrag bei den großen drei Unternehmen zu erreichen.
Shawn Fain: Unsere Branche verändert sich, weil sich das Klima verändert. Wenn wir einen Planeten haben wollen, auf dem wir leben können, muss es einen Übergang zu Elektrofahrzeugen geben. Es ist keine Frage des Ob, sondern des Wie. Die einzige Frage, die sich stellt, ist, ob es ein gerechter Übergang mit guten Arbeitsplätzen für jeden Autoarbeiter sein wird oder ob es ein weiterer Wettlauf nach unten sein wird. In den Vereinigten Staaten gibt die Bundesregierung den Autoherstellern Milliarden von Dollar, um die Produktion von Elektroautos zu subventionieren. Das ist eine gute Sache, solange unsere Steuergelder in gute gewerkschaftliche Arbeitsplätze investiert werden, die die Arbeiterklasse und die Regionen unterstützen und gleichzeitig den Planeten schützen können.
Shawn Fain: Ich freue mich, sagen zu können, dass wir gerade einen wichtigen Durchbruch in den Verhandlungen mit General Motors erzielt haben. Sie behaupteten, es wäre unmöglich, dass in der Batterieproduktion die gleichen Standards wie in anderen GM-Werke gelten. Aber drei Wochen nachdem wir mit dem Streik begonnen haben, gerade als wir im Begriff waren, ihr profitabelstes Werk zu bestreiken, haben sie ihren Kurs geändert und zugestimmt, dass für die gesamte Produktion von Batterien für Elektromobilität unser nationaler Rahmentarifvertrag gelten soll. Es gibt noch viel zu tun. Aber der jüngste Durchbruch bei GM, etwas zu gewinnen, was das Unternehmen als unmöglich darstellte, lässt mich glauben, dass wir gewinnen werden.
Shawn Fain: Wir wissen, wie Tesla vorgeht, um die Organisierung der Beschäftigten zu verhindern. Als die UAW-Mitglieder in den USA in den Streik getreten sind, organisierten sich immer mehr Arbeitnehmer:innen aus der Automobil-, Elektromobilität- und Batteriezellfertigung einschließlich Tesla, um sicherzustellen, dass grüne Arbeitsplätze gute Arbeitsplätze sind. Die UAW kämpft dafür, einen Standard zu setzen nicht nur für die BIG Three, sondern auch für alle Arbeitnehmer*innen in der Automobilindustrie und für die gesamte Arbeiterklasse weltweit. Wir freuen uns auf den Tag, an dem Arbeitnehmer*innen bei Tesla und bei allen Automobilherstellern das Recht haben werden, über einen fairen Anteil, sichere Jobs und wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit zu verhandeln.
Zur Person: Shawn Fain (55) ist gelernter Elektriker und seit 2023 Präsident der US-amerikanischen Gewerkschaft United Auto Workers (UAW). Fain ist bekannt für einen unkonventionellen Verhandlungsstil. Ein Angebot von Stellantis warf er demonstrativ in den Papierkorb.
Hintergrund: Unmittelbar nach dem Ablauf des alten Tarifvertrags am 14.09.2023 begann die UAW gleichzeitig gegen GM, Ford und Stellantis, die sogenannten Big Three, zu streiken. Die Streiks begannen zunächst in drei Betrieben und wurden dann kontinuierlich auf weitere Betriebe ausgeweitet. Aktuell befinden sich 38.000 UAW-Mitglieder im Streik. In den nicht bestreikten Betrieben werden Unterstützungsaktionen organisiert. Die UAW-Mitglieder bei Big Three mussten während der Finanzkrise 2009 viele Zugeständnisse machen und auf viele Errungenschaften verzichten, um die Big Three in bzw. vor der Insolvenz retten. Die Versprechen, zu den alten Errungenschaften zurückzukehren, wenn sich die wirtschaftliche Lage der Unternehmen verbessert, wurden nie eingelöst. Die Reallöhne stagnierten. Trotz hoher Gewinne wurden viele Betriebe geschlossen und die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer*innen, die nach 2009 eingestellt wurden, blieben deutlich schlechter, als der früher eingestellten. Deshalb herrscht hohe Unzufriedenheit in den Belegschaften, auch angesichts der hohen Inflationsrate.