3. Mai 2024
Fakten und Argumente
Die alte neoliberale Leier: Was Union, FDP und Co. fordern und warum es falsch ist
In letzter Zeit häufen sich die Vorschläge, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Bei genauer Betrachtung sind es doch nur Steuergeschenke für Unternehmen und Reiche, Sozialabbau und Rückschritte beim Schutz von Arbeitnehmern. In einem FAQ haben wir die besseren Argument gesammelt.

 

In den letzten Wochen hagelte es wirtschafts- und sozialpolitische Vorschläge, die vorgeblich den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken sollen. Bereits im Januar haben sich die Arbeitgeberverbände in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt und Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft gefordert. Die CDU hat im Februar einen „Reformplan für eine starke Wirtschaft“ vorgelegt. Die FDP hat ein 12-Punkteprogramm zur „Beschleunigung der Wirtschaftswende“ beschlossen. Und die Unionsfraktion hat Ende April einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der viele der Forderungen aus den Papieren wiedergibt.
 

Umverteilung von unten nach oben

Innovatives findet sich dabei nicht. Vorgeschlagen werden zahlreiche Uraltmaßnahmen, die keinen Zukunftsimpuls setzen, die bestehende Reformbedarfe nicht wirksam adressieren, vielmehr Wohlstand von unten nach oben umverteilen und Sozialabbau bedeuten würden: Steuergeschenke für Unternehmen und Besserverdiener, Kahlschlag beim Sozialstaat und Rückschritte bei der Regulierung von Arbeit. In diesem FAQ gehen wir auf die Forderungen ein – und liefern Gegenargumente. 

Was hilft beim Fachkräftethema

Die Fachkräftesicherung ist zweifellos eine zentrale Zukunftsfrage. Doch die Lage ist komplex. Während viele Betriebe offene Stellen beklagen und sich schwertun, Fachkräfte zu finden, steht bei anderen Personalabbau an der Tagesordnung. In manchen Betrieben finden sich beide Phänomene gleichzeitig. In der IG Metall-Betriebsrätebefragung aus dem Frühjahr 2024 sagen aber über 80 Prozent der Betriebe, dass es zumindest teilweise schwierig ist, Fachkräfte zu finden. Dieser Trend könnte sich in  den kommenden Jahren verstärken, u.a. auch weil die geburtenstarken Jahrgänge das Renteneintrittsalter erreichen. Union und FDP schlagen eine Reihe von Maßnahmen vor, die jedoch keine Lösungen liefern, sondern neue Probleme schaffen:

All diese Vorschläge gehen einseitig zu Lasten der Beschäftigten und sind keine solidarischen, zukunftsweisenden Antworten. So sind in der Fachkräftefrage zunächst einmal die Arbeitgeber gefordert. Was es braucht, sind gute Arbeitsbedingungen und Löhne, Arbeitszeiten, die zum Leben passen sowie Investitionen der Arbeitgeber in die Qualifikationen ihrer Beschäftigten und des Nachwuchses. Es sind aber auch politische Weichenstellungen nötig, um die Frauenerwerbsarbeit zu erhöhen, Arbeitslose besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren und faire Fachkräfteeinwanderung zu ermöglichen.

Was ist dran an der Kritik am Bürgergeld?

FDP und Union attackieren vehement das Bürgergeld. Härtere Sanktionen und Zumutbarkeitsregelungen werden gefordert – bis hin zur Möglichkeit des Komplettentzugs der Leistung. FDP und Union nutzen die Emotionalität der öffentlichen Debatte, argumentieren mit vermeintlicher Leistungsgerechtigkeit und „Lohnabstandsgebot“, sie bedienen mit dem Begriff „Totalverweigerer“ das Motiv der „sozialen Hängematte“ als verbreitetem Phänomen. Das ist falsch, spaltend und populistisch, denn die Fakten sprechen eine andere Sprache:

Um Fakten geht es den Kritikern aber nicht. Sie nutzen das Bürgergeld, um den Sozialstaat als Ganzes zu diskreditieren und populistische Politik auf dem Rücken der Schwächsten zu machen.

Moratorium für Sozialleistungen, 40-Prozent-Deckel – ist der Sozialstaat zu teuer?

FDP, Union und Arbeitgeberverbände wollen die Ausgaben des Sozialstaats einfrieren, konsolidieren oder deckeln. Sie behaupten, die hohen Lohnnebenkosten seien ein Nachteil für deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb.

Der Bedarf an sozialer Sicherung wird in den kommenden Jahren zunehmen. Ein Moratorium oder eine Ausgabendeckelung ist keine Lösung, sondern gefährdet die soziale Sicherheit. Was es stattdessen braucht, sind Überlegungen, wie Bedarfe künftig sicher gedeckt und Ausgaben gerecht verteilt werden können, z.B. durch die Einführung einer Bürgerversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung. Steigende Kosten müssen insgesamt durch einen solidarischen Mix aus Steuern und Abgaben finanziert werden.

Kalte Progression, Soli, Grundfreibetrag – muss sich hier was tun?

Union und FDP machen die Steuerpolitik als eine Bremse des Wachstums der deutschen Wirtschaft aus – und schießen auch bei diesem Thema über das Ziel hinaus.

Sinnvoll und angezeigt wären andere Reformen im Steuerrecht: Die IG Metall und der DGB fordern schon lang im DGB-Steuerkonzept, dass die Einkommensteuer für die Mitte abgesenkt wird und stattdessen ein größerer Anteil der Steuereinnahmen bei Topverdienern und über eine Vermögenssteuer eingenommen wird. Denn: Diese Steuererhöhungen würden nur die treffen, die es verschmerzen könnten. Eine starke Steuerentlastung für die Mitte aber wäre wirklich ein Impuls für die Wirtschaft.

Unternehmensstandort – haben wir einen Wettbewerbsnachteil?

Arbeitgeber, FDP und Union haben schon oft den Unternehmensstandort totgesagt. Auch in den aktuellen Papieren werden wieder einmal Maßnahmen zur Deregulierung gefordert:

Viele Dinge spielen bei der Standortqualität eine Rolle: Die Ausbildungsqualität, verlässliche Infrastrukturen, eine effiziente Verwaltung. Wenn Deutschland derzeit einen Wettbewerbsnachteil hat, dann nicht zuletzt, weil seine Infrastrukturen internationalen Ansprüchen nicht genügen. Statt also auf Steuereinnahmen zu verzichten, sollte die Bundesregierung mutig in die Infrastrukturen der Transformation investieren.


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