Beteiligungspreis der IG Metall verliehen
Beteiligung als Schlüssel zum Erfolg

Auf dem Mitbestimmungs- und Beteiligungskongress der IG Metall in Mannheim wurden drei Betriebsratsgremien mit dem Beteiligungspreis ausgezeichnet. Die Arbeit der Preisträger zeigt, dass es sich lohnt, Kolleginnen und Kollegen aktiv in Gestaltungsprozesse einzubinden und zusammen mit den ...

10. November 201410. 11. 2014


... Beschäftigten etwas auf die Beine zu stellen.

Die Probleme im Betrieb waren ganz unterschiedlich, der Ausgangspunkt immer ein anderer, natürlich, aber irgendwann kamen sie alle an einen Punkt, an dem sie spürten, dass es so nicht mehr weitergeht, dass sie jetzt etwas tun müssen. Und zwar mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen. „Ohne die Ideen der Beschäftigten hätten wir niemals solch einen Erfolg gehabt“, sagt Jürgen Müller, der Betriebsratsvorsitzende vom Automobilzulieferer Neapco in Düren. „Erst durch Beteiligung haben wir erfahren, welches die wirklich drängenden Probleme unserer außertariflich Angestellten sind“, sagt Irene Weininger, Betriebsrätin bei Osram Opto Semiconductors in Regensburg. „Es ist uns zusammen mit den Kollegen gelungen, Alternativen zu erarbeiten, die die Geschäftsleitung überzeugten“, sagt Manuela Grimm, Betriebsratsvorsitzende von Wincor Nixdorf in Taucha bei Leipzig.

Auf der Mitbestimmungs- und Beteiligungskonferenz der IG Metall in Mannheim wurde die engagierte Arbeit dieser drei Betriebsratsgremien nun mit dem Beteiligungspreis ausgezeichnet. Für alle drei Betriebsräte war die Auszeichnung Anerkennung und Würdigung ihres Engagements, mit dem sie bewiesen haben, dass es sich lohnt, gemeinsam zu kämpfen und zusammen etwas auf die Beine zu stellen – auch, wenn es manchmal ein schwerer, langer Weg ist.


Beteiligung beim Automobilzulieferer Neapco in Düren

Für den Betriebsrat und die Beschäftigten des Automobilzulieferers Neapco war es dies ganz gewiss, ein schwerer, langer Weg. Im Dürer Werk arbeiten 730 Beschäftigte, sie stellen Antriebswellen, Differenziale und Getriebegehäuse her. „Die wirtschaftliche Situation bei uns ist schon seit einigen Jahren angespannt gewesen“, sagt Jürgen Müller, „seit 2010 dann aber hatten wir ein spürbar sinkendes Umsatzvolumen.“ Anfang 3013 hat der Betriebsrat einen Bündel von Vorschlägen der Geschäftsführung auf dem Tisch. „Die Geschäftsführung wollte alle Betriebsvereinbarungen, die außertarifliche Bestandteile enthalten, kündigen“, sagt Jürgen Müller. Dazu sollte es eine Kürzung der Arbeitszeit geben, die sofortige Verlagerung der Montage nach Polen sowie einen „Beitrag“ der Beschäftigten in Höhe von zwei Millionen Euro. „Das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen, wir mussten etwas tun.“

Sie haben etwas getan – und zwar eine ganze Menge. „Wir haben zuerst zu einer Mitgliederversammlung geladen, auf der konnten die Kolleginnen und Kollegen sagen, was ihnen jetzt am wichtigsten ist.“ Jürgen Müller und seine Mitstreiter hören zu, notieren mit, am Ende des Abends haben sie eine Liste zusammengetragen. „Die langfristige Sicherung des Standorts und der Arbeitsplätze war am wichtigsten, die Kolleginnen und Kollegen aber wollten auch Regelungen zur Leiharbeit, einen Ausbau der Entwicklungsabteilung und Mitarbeiterbeteiligung bei guten Ergebnissen.“


Wünsche sind das eine, ein ausgearbeitetes Konzept, mit dem man in Verhandlungen gehen kann, das andere. Auf einer Klausurtagung der Vertrauensleute wird schließlich das Konzept erarbeitet und die Strategie für die Verhandlung mit der Geschäftsführung entwickelt. Bevor es allerdings zur Verhandlung kommt, stellt der Betriebsrat das Konzept in einer zweiten Mitgliederversammlung zur Abstimmung – mit 85 Prozent der Ja-Stimmen wird dem Verhandlungsgremium, das aus dem Betriebsratsvorsitzenden, dem Vertrauenskörperleiter sowie dem Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Düren besteht, der Auftrag zur Verhandlung erteilt. „Diese Legitimation hat uns Macht gegeben“, sagt Jürgen Müller, „wir haben auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung verhandelt.“

Sie haben nicht nur auf Augenhöhe verhandelt, sie haben bei ihren Verhandlungen im vergangenem Jahr sehr viel erreicht: Zwar verzichten die Tarifbeschäftigten bis 2018 auf je Zweidrittel des Urlaubs- und Weihnachtsgelds – dafür aber werden betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2018 ausgeschlossen. „Dazu haben wir noch viele weitere Regelungen durchsetzen können.“ Bei Neapco gibt es jetzt Betriebsvereinbarungen zur Leiharbeit, zur Qualifikation von Montagemitarbeitern und zur Mitarbeiterbeteiligung bei guten Ergebnissen. „Seit der Einführung des Zukunftsvertrags haben wir 40 Leiharbeiter zusätzlich als IG Metall Mitglieder gewonnen, unser Organisationsgrad hat sich um 13 Prozent auf 85,3 Prozent gesteigert“, sagt Jürgen Müller. „Wir sind auf einem guten Weg.“

Beteiligung beim Servicecenter von Wincor Nixdorf in Taucha

Auf einem guten Weg sind sie auch im Servicecenter von Wincor Nixdorf in Taucha bei Leipzig – und dass das so ist, hat mit dem Engagement der Kolleginnen und Kollegen zu tun, da ist sich Manuela Grimm sicher. „Durch die Beteiligung haben wir als Betriebsrat für unsere Arbeit eine zusätzliche Legitimation bekommen“, sagt die Betriebsratsvorsitzende, „die Geschäftsführung nimmt uns Ernst, die Pläne sind jetzt gestoppt worden.“

Vor einem Jahr hörten Grimm und ihre Mitstreiter von den Plänen der Betriebsleitung. Kaufmännische Arbeitsprozesse sollten zerteilt werden, jeder Beschäftigte sollte sich auf weniger Prozesse spezialisieren und damit den ganzen Arbeitstag lang beschränkt sein auf das Ausführen weniger Teilprozesse. Bisher waren die einzelnen Kolleginnen und Kollegen für die Abwicklung eines Kundenauftrages vom Auftragseingang über die Beauftragung der Serviceprozesse bis hin zum Zahlungseingang mit sehr viel Engagement für einen umfangreichen Prozess verantwortlich – jetzt fürchteten sie zunehmende Monotonie und abnehmende Souveränität und Kreativität bei der Arbeit. „Wir mussten handeln“, sagte Manuela Grimm.

Sie haben gehandelt: Alles in allem organisierte das 3-köpfige Betriebsratsgremium über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr hinweg kontinuierliche Beteiligung der Belegschaft. Man traf sich außerhalb des Betriebes, öffnete die Mitgliederversammlung der IG Metall für alle Kolleginnen und Kollegen, forderte die Betriebsleitung und den Vorstand des Unternehmens immer wieder zu Gesprächen auf, erarbeitete Fragebögen, um die Meinung der Belegschaft erfassen zu können und machte dies alles mehrmals zum Thema auf Betriebsversammlungen. Auf diese Weise gelang es, mit der Betriebsleitung zu einem regelmäßigen Gesprächsturnus zu finden. „Dort haben wir Mitbestimmungsrechte bei der Umsetzung der Pläne eingefordert“, sagt Manuela Grimm, „und intensiv mit der Betriebsleitung über ihre Pläne gesprochen.“

Mit der Zeit konnten die Betriebsräte das Management davon überzeugen, dass es ein Verlust und Nachteil auch für den Betrieb wäre, wenn man auf die selbständige und kreative Arbeitsweise zukünftig verzichtet und Beschäftigte zu unselbständigen Befehlsempfängern degradiert. „Plötzlich wurden alternative Vorschläge von uns ernst genommen, die Betriebsleitung setzte sich mit ihnen auseinander.“

Mehr als das. Die Änderung der Arbeitsorganisation ist fürs Erste gestoppt, und das ist ein großer Erfolg. Nicht der Einzige: Durch die hohe Anzahl der in der IG Metall organisierten Beschäftigten konnte gemeinsam erreicht werden, dass die Gehälter der 2010 neu eingestellten Kolleginnen und Kollegen in den Jahren von 2010 bis 2014 um bis zu 30 Prozent stiegen. Heute haben sie nahezu Tarifniveau erreicht. „Nur mit Beteiligung sind solche Erfolge möglich“, sagt Manuela Grimm, „es lohnt sich, die Kolleginnen und Kollegen direkt anzusprechen und sie in die Arbeit miteinzubeziehen. Denn sie wollen beteiligt werden, wenn es um ihre Angelegenheiten geht.“

Beteiligung bei Osram Opto Semiconductors in Regensburg

Das kann Irene Weininger bestätigen. Die Idee der Betriebsräte von Osram Opto Semiconductors in Regensburg war einfach und klar – und sie hat im Betrieb einen Prozess in Gang, Dinge ins Rollen gebracht. „Wir wollten die außertariflich Angestellten, die bisher recht wenig in unsere Betriebsratsarbeit eingebunden waren, einmal direkt anzusprechen und sie fragen, welche Themen sie bewegen und wo sie sich die Unterstützung des Betriebsrats wünschen.“ Das haben Irene Weiniger und ihre Mitstreiter getan. Per Mail, mittels Flyer und im direkten Gespräch wurden die Kollegen zu einer „Betriebsratssprechstunde“ eingeladen, dort zeigte sich dann, dass es eine Menge Gesprächsbedarf gibt: „Es hat sich gezeigt, dass für die außertariflichen Mitarbeiter das Thema Arbeitszeit und die bei uns eingeführte Vertrauensarbeitszeit ein extrem wichtiges Thema ist“, sagt Irene Weininger, „diese Zeit wird nämlich nicht erfasst, und das führt bei vielen Mitarbeitern zu Überlastung und einer steigenden Unzufriedenheit.“

Nach einer detaillierten Umfrage stellt sich heraus, dass insbesondere die Reisezeiten anders geregelt werden müssen. „Viele Mitarbeiter müssen am Wochenende reisen, also quasi in ihrer Freizeit, ohne dies irgendwie angerechnet oder vergütet zu bekommen“, sagt Irene Weininger, „mit den Ergebnissen der Umfrage hatten wir ein klares Verhandlungsmandat.“

Das haben sie genutzt. Gerade sind sie dabei, eine Betriebsvereinbarung zu verhandeln. Reisezeiten sollen nun erfasst werden, die Kollegen und Kolleginnen die anfallenden Stunden in Freizeit umwandeln können. „Die Kollegen wären glücklich mit der Regelung“, sagt Irene Weininger. „Sie finden es sehr gut, dass wir auch sie und ihre Bedürfnisse vertreten. Wir werden den Weg der Beteiligung konsequent weiter gehen.“

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