22. August 2019
Ökologische Transformation zum Erfolg machen
Aktionsprogramm zur Mobilitäts- und Energiewende
Eine gelingende Energie- und Mobilitätswende braucht mehr als immer nur neue Zielsetzungen. In einem Aktionsprogramm stellt die IG Metall Forderungen zur Energie-und Mobilitätswende, mit denen die ökologische Transformation zum Erfolg werden kann.

Die Zeit drängt: In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Zahl extremer Wetterereignisse in Deutschland bereits mehr als verdoppelt. Dabei ist die mittlere Oberflächentemperatur der Erde gegenüber dem vorindustriellen Niveau erst um 1 °C gestiegen. Werden die Treibhausgasemissionen nicht runtergefahren, könnte die Erderwärmung Ende des Jahrhunderts satte +4 °C betragen. Die Schäden und Risiken für Gesellschaft und Wirtschaft wären immens.

Um das zu verhindern, unterzeichneten 2015 175 Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen und verpflichteten sich damit, die Klimaerwärmung unter 2°C zu halten, bestenfalls sogar unter 1,5 °C.  In diesem Zuge setzte sich Deutschland das Ziel, seine CO2-Emmissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Das Problem ist jedoch: Deutschland ist weit davon entfernt, seine Ziele zu erreichen. Im Verkehrssektor sind die CO2-Emissionen sogar angestiegen.

Der grundlegende Wandel steht also noch aus. Konkret heißt das: Die Bereiche Energie, Wärmebereitstellung und Mobilität müssen jetzt liefern.


Den Wandel gestalten

In den nächsten Jahren kommt es darauf an, den Umbauprozess von Technologien, Produkten, Geschäftsmodellen, Standorten und Wertschöpfungskonzepten nicht zu verhindern, sondern „richtig“ zu machen. Unsere Aufgabe ist es dabei, die Interessen der Beschäftigten einzubringen und für eine sozial gerechte Transformation zu streiten.

Allein durch die geforderte Elektrifizierung im Bereich der Antriebstechnik werden bis zu 150.000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie entfallen. Gleichzeitig erlangen viele unserer Betriebe aber neue Chancen durch die Klimaschutzpolitik: So sind für die Elektrifizierung der PKW-Antriebe neue Technologien und Komponenten erforderlich – wie Batterien, Elektromotoren, Leistungselektronik oder elektrische Achsen. Der erforderliche Ausbau von Bahn und Bus wird zu zusätzlichen Aufträgen bei den entsprechenden Betrieben führen. Auch die Nachfrage nach Systemen zur Kraft-Wärme-Kälte-Koppelung in der Industrie oder smarter Gebäudetechnik für unsere Wohnungen wird sich im Zuge der geforderten Energieeffizienz deutlich ausweiten.

Und klar ist auch: Ohne die Metall- und Elektroindustrie sowie das Elektrohandwerk ist der Ausbau der erneuerbaren Energien genauso wenig zu erreichen, wie der Ausbau der Netzinfrastruktur.


Kernforderungen zur Energie- und Mobilitätswende

Sicher ist, dass die Symbolpolitik der letzten Jahre in der Klimapolitik nicht ausreichen wird. Es geht jetzt nicht mehr darum, sich zu Zielen zu bekennen – schließlich wird dadurch kein einziges Gramm CO2 eingespart. Sondern es geht darum, wirksame Maßnahmen und Konzepte zu erarbeiten.

Unser Leitbild für diese Systemwende ist: Mobilität muss klimafreundlich, für alle zugänglich und bezahlbar sein. Der Energiesektor muss ausreichend für Haushalte und Industrie bezahlbare Elektrizität aus erneuerbaren Energien bereitstellen, speichern und transportieren. Die industrielle Wertschöpfung muss langfristig auf die neuen Technologien und Produkte ausgerichtet werden. Und die Beschäftigten brauchen belastbare berufliche Perspektiven in diesen großen Veränderungen.

Wir sehen vorrangige vier Handlungsfelder, mit denen diese Energie- und Mobilitätswende gelingen kann:


Hochlauf der E-Mobilität

Die Voraussetzungen für die Massenproduktion von E-Autos sind bislang nicht gesichert. Insbesondere hapert es an der Verfügbarkeit von Rohstoffen, Batteriezellen und Halbleitern. Hier drohen große Engpässe und Abhängigkeiten.

Um dieses Risiko zu minimieren, ist der Aufbau geschlossener Werkstoffkreisläufe unverzichtbar. Zudem braucht es eine europäische Alternative für das Ökosystem Batteriezelle.

Die Unternehmen müssen indes verstärkt in neue Produkte und Technologien, Geschäftsmodelle sowie in die bestehenden Standorte investieren.

Wir brauchen einen Ausbau der Ladeinfrastruktur und Investitionen in Verteilnetze. Aber auch die Entwicklung und Industrialisierung alternativer synthetischer Kraftstoffe bleibt auf der Tagesordnung – und sei es nur für Flugzeuge, Schiffe oder als Rohstoff für die Chemieindustrie.


Einstieg in die Mobilitätswende

Der Klimaschutz im Verkehr muss über die Elektrifizierung der Antriebe hinausgehen. Er darf nicht mit dem erzwungenen Verzicht auf Mobilität oder mit sozialen Schieflagen erkauft werden. So muss die Lücke zu den klimapolitisch erwünschten Zielgrößen in erster Linie durch den systematischen Ausbau des öffentlichen Personen- und Güterverkehrs erfolgen. Neue Mobilitätskonzepte sind gefragt – für die Städte, für den ländlichen Raum.


Entschlossenes Vorantreiben der Energiewende

Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss systematisch und schnell vorangebracht werden. Dabei darf die Versorgungssicherheit nicht unter Druck kommen und Stromrechnungen müssen bezahlbar bleiben. Wir fordern einen Ausbau der Stromnetze, intelligente Verteilnetze, neue Speichertechnologien. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen für die Windkraft, für den Energieanlagenbau, für die energetische Gebäudesanierung und den Heizungstausch. Und wir fordern ein Förderkonzept für die Grundlagenforschung und Pilotierung neuer Anlagenkonzepte, wie die Wasserstoffreduktion beim Stahl.


Konzepte und Instrumente für die Regional- und Strukturpolitik

In vielerlei Hinsicht wird die Region zum entscheidenden Handlungsfeld der Transformation. Denn die konkrete Umsetzung erfolgt dort. Sicher ist jetzt schon: Einige Unternehmen werden damit überfordert sein. Ganze Regionen und Arbeitsmärkte können so in Schieflage kommen. Wesentliche Forderungen sind deswegen:


Wir werden selbst aktiv

Wir ergreifen die Initiative für die Ausarbeitung regionaler Zukunftsszenarien und dazu passender Energie- und Mobilitätskonzepte. In einigen Pilotregionen werden wir hierfür aktiv. Die Geschäftsstellen erhalten dazu die erforderlichen Unterstützungs- und Vernetzungsangebote.

Was ist auf der Unternehmensebene gefordert? Zunächst wird es darum gehen, Unternehmensstrategien für klimagerechte Produkte und Produktion einzufordern. Hierzu müssen Betriebsräte, Gesamtbetriebsräte und Aufsichtsräte Hand in Hand arbeiten. Wir werden flankierend ein öffentlichkeitswirksames Label für „gute Beispiele“ entwickeln und ausrollen.

Diese Strategien müssen dann übersetzt werden in Zukunftskonzepte für Standorte und Beschäftigung.

Zudem machen wir die Beschäftigten selber zu Beteiligten all dieser Ansätze – von Fragen der Wege zum Arbeitsplatz bis hin zu Ideen für eine größere Energieeffizienz im Betrieb. Hierzu entwickeln wir geeignete Kommunikations- und auch Anreizkonzepte: Denn es ist auch im Interesse der Betriebe selber, dass die Ideen und Kompetenzen der Beschäftigten für den Umbau genutzt werden können.


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