An einem normalen Werktag ist für Meike Schlabach kurz nach vier die Nacht vorbei. Nach dem Aufstehen und Frühstücken geht es von ihrem Heimatdorf nach Siegen. Hier in den Deutschen Edelstahlwerken legt sie ihre orange-graue Arbeitskleidung an, Hose und Jacke aus schwer entflammbarem Stoff. Ihre langen kastanienbraunen Haare verschwinden unter einem Helm. Schutzbrille, der handygroße Warnmelder und die Sicherheitsschuhe sind ein Muss. Die komplette Ausrüstung wiegt ein paar Kilo, mit der Meike jeden Tag frohen Mutes ihre Schicht von sechs bis halb zwei absolviert.
Mit 16 begann für sie bei den Deutschen Edelstahlwerken ihre Ausbildung als Elektronikerin für Betriebstechnik. Sie kümmert sich darum, dass die elektrischen Anlagen des Stahlwerks funktionieren, wo Stahl für Zulieferer der Autoindustrie produziert wird. Zimperlich darf man für diese Tätigkeit in Staub und Hitze nicht sein. Sie erinnert sich noch gut an die ersten Monate in der Ausbildungswerkstatt, wo sie aus einem U-Stahl einen Lastwagen feilen musste. „Das war schon hart, aber irgendwann habe ich mich an die Blasen an den Händen gewöhnt,“ sagt sie lachend.
Nun wird sie schon seit längerem im Stahlwerk eingesetzt. An manchen Standorten herrscht massive Hitzestrahlung. Dass sie das Gymnasium nach der 10. Klasse verlassen hat, um die Ausbildung zu machen, hat sie noch keinen Tag bereut. „Ich bin praktisch veranlagt, schon als Kind habe ich meinem Vater geholfen, der Heizungsbauer war. Ich finde das hier spannender als den Arbeitstag im Büro zuzubringen. Die Entwicklung von Industrie 4.0 wird auch in der Stahlindustrie viel verändern.“
(Foto: Stepehen Petrat)
Bei den Edelstahlwerken ist sie Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Meike engagiert sich auch im Ortsjugendausschuss. Über diesen Weg kam sie auch zu ihrem Delegiertenmandat auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall. Sie wird als eine von 483 Delegierten über knapp 800 Anträge diskutieren und abstimmen. „Ich habe alle Anträge einzeln gelesen. Für einen mache ich mich besonders stark, weil ich ihn selbst mitgeschrieben habe.“ Der Antrag fordert, dass alle Auszubildende die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos nutzen dürfen und dass das Bus- und Bahnnetz dringend verbessert werden muss.
Die Forderung greift die Unzulänglichkeiten des ÖPNV auf, die es im Siegerland und in vielen anderen Regionen Deutschlands gibt. Meike und viele ihrer Alterskollegen leiden darunter, dass Busse und Bahnen unzuverlässig und teuer sind. Die Verbindungen sind schlecht, etwa dann, wenn man um 6 Uhr die Schicht antreten muss. Auch die Fahrt zur Berufsschule gestaltet sich oft schwierig. Manche behelfen sich mit Fahrgemeinschaften. „Ich will hier etwas ändern. Stellt man Auszubildenden eine kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung, kommt das der Umwelt zugute.“
Was erwartet und erhofft Meike von dem Kongress in Nürnberg? „Ich freue mich auf viele neue Leute und tolle Begegnungen. Ich hoffe, dass wir mit unseren Anträgen auch was verändern können. Und wenn wir in vier Jahren dann dastehen, und sehen, das haben wir damals beschlossen und das ist jetzt umgesetzt, das ist richtig cool. Da freue ich mich drauf, auch wenn die Woche in Nürnberg vielleicht etwas anstrengend wird.“
Ältester Delegierter auf dem Gewerkschaftstag: „Die Ideen gehen mir nie aus“