Wer wissen will, wie Jörg Hofmann tickt, kommt um das Wort „Excel“ nicht herum. Noch spät in der Nacht, gerne auch am Wochenende, erstellte der studierte Ökonom damit detaillierte Berechnungen. Zum Beispiel während der Zugfahrten zu einem seiner zahllosen Termine.
Die Zahlenkolonnen schickte er dann an sein Team. Dabei konnte es um Details eines Tarifvertrags gehen. Oder um die Wirkung der Entlastungspakete, die die Bundesregierung in der Energiekrise 2022 schnürte. Was es auch war: Der „Chef“ war immer im Stoff.
Nun hat Hofmann seinen Posten als Erster Vorsitzender der IG Metall geräumt. Vergessen wird ihn so bald niemand. Schließlich hinterlässt er eine ganze Reihe wichtiger Tarifverträge – und Anstöße für die Politik, die noch lange wirken werden.
In seine Zeit als IG Metall-Bezirksleiter in Baden-Württemberg fallen zum Beispiel Tarifabschlüsse zur Altersteilzeit, zu Arbeitszeitkonten, zur Regelung der Leiharbeit und zu vorausschauender Qualifizierung.
Auch das vielzitierte „Pforzheimer Abkommen“ prägte Hofmann maßgeblich mit und ermöglichte so Arbeitsplatzsicherung in wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen. Mit dem „Entgeltrahmenabkommen“ (ERA) startete er ein völlig neues Entgeltsystem – gerechter und transparent für alle Beschäftigten. Die traditionelle, aber längt überholte Unterscheidung von „Arbeitern“ und „Angestellten“ war damit Geschichte.
An der Spitze der IG Metall rückten für Hofmann bundespolitische Themen in den Fokus. Im Grunde setzte er dabei seine Tarifpolitik zur Überwindung von Krisen und für eine geglückte Transformation auf anderer Ebene fort: Er setzte sich bei mehreren Bundesregierungen dafür ein, die Weiterbildung für die Jobs von morgen stärker zu fördern – was diese mit mehreren Gesetzen auch taten.
Er warb erfolgreich für den Ausbau der Kurzarbeit als soziales Kriseninstrument. Und er setzte sich immer wieder für die Zukunft der Industrie und der damit verbundenen Arbeitsplätze in Deutschland ein: Etwa, wenn er für den zügigen Ausbau von E-Ladestationen trommelte oder sich, wie zuletzt, für einen Industriestrompreis stark machte.
Doch auch in der Frankfurter Zentrale blieben die Tarifthemen wichtig. In Hofmanns Zeit als Erster Vorsitzender fällt zum Beispiel der wegweisende Tarifabschluss von 2018: Seitdem können Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie zwischen mehr Geld und mehr Freizeit wählen.
Schon vor Jahren prägte Hofmann den Begriff „sozial-ökologische Transformation“. Was er damit meinte: Einen grundlegenden Wandel von Wirtschaft und Industrie, getrieben durch die Megatrends Digitalisierung und Klimaschutz.
Sozial, ökologisch und demokratisch muss dieser Wandel ablaufen – das machte Hofmann von Anfang an klar. Heißt: Die Beschäftigten müssen mitbestimmen können, wohin die Reise geht. Und sie brauchen Sicherheit: beim Einkommen, bei den Arbeitsplätzen.
Im Sommer 2019 setzte die IG Metall für diese Forderungen ein Zeichen: Mit einer Großkundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Auch das war eine Idee von Jörg Hofmann. Spätestens seit dieser Aktion steht die „Transformation“ auf der Agenda der Politik. Der Begriff ist mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen.
Entschieden ist der Kampf um die soziale Gestaltung des Wandels noch lange nicht. Er bleibt eine Hauptaufgabe für Hofmanns Nachfolgerin Christiane Benner.