IG Metall fordert Ausweitung der Mitbestimmung
Mehr Demokratie im Betrieb

Eigentlich gibt es in Deutschland die Mitbestimmung. Doch nur in größeren Unternehmen. Das will die IG Metall ändern. Sie will, dass Mitbestimmung in allen Firmen gilt – unabhängig ob groß oder klein. „Demokratie gibt es ja auch nicht nur in Staaten mit mindestens 100 Millionen Einwohnern“, ...

4. November 20144. 11. 2014


... erklärt Detlef Wetzel, Erster Vorsitzender der IG Metall.

Die Forderung nach Mitbestimmung gibt es schon so lange, wie es Gewerkschaften gibt. Diese Forderung ist der berechtigte Wunsch der Arbeitnehmer, nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Betrieb gleichberechtigt teilhaben zu können. Dabei kann es nicht nur darum gehen, dass die Beschäftigten die Wandfarbe in der Kantine mit auswählen dürfen. Die IG Metall macht sich dafür stark, dass die Arbeitnehmer die unternehmerischen Entscheidungen ebenso beeinflussen können wie die Gestaltung ihrer Arbeitsplätze. Bislang können das Arbeitnehmer nur in einem engen gesetzlichen Rahmen.


Mitbestimmung auch für kleine Unternehmen

Seit 1976 gibt es das Mitbestimmungsgesetz. In Unternehmen mit über 500 Beschäftigten gilt eine Drittelbeteiligung. Das bedeutet: Ein Drittel des Aufsichtsrats ist mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen. In Kapitalgesellschaften mit mehr als 2000 Beschäftigten gilt das Unternehmensmitbestimmungsgesetz. In diesen Firmen entsenden die Arbeitnehmer ihre Vertreter in den Aufsichtsrat, in dem jeweils die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite besetzt wird. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates hat ein Doppelstimmrecht und wird von der Arbeitgeberseite gestellt. Im Streitfall ziehen damit die Arbeitnehmer immer den Kürzeren. Unter das Mitbestimmungsgesetz fallen in Deutschland nur knapp 700 Unternehmen, und damit nur ein kleiner Teil der Firmen hierzulande. Das kritisiert die IG Metall. Demokratie in der Arbeitswelt darf sich nicht an der Größe eines Unternehmens und der Beschäftigtenzahl orientieren.

Neben der Unternehmensmitbestimmung verfügen die Arbeitnehmer und ihre Betriebsräte über Mitspracherechte im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes. Das novellierte Betriebsverfassungsgesetz trat vor über 40 Jahren in Kraft und könnte nach Meinung der IG Metall einen Neuanstrich gebrauchen. Sie fordert unter anderem, dass die Betriebsräte mehr Rechte bei Werkverträgen und Leiharbeit erhalten.

Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen

Die IG Metall will erreichen, dass die Arbeitnehmer mehr Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen bekommen. Das betrifft einerseits die Ordnung des Betriebs, die Arbeitsbedingungen und Personalentscheidungen und andererseits wirtschaftliche Belange, die die Entwicklung und Zukunft des Unternehmens beeinflussen. Zwar gibt es ein Informationsrecht, doch eine gesetzlich verankerte Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten gibt es für Betriebsräte nicht. Ziel ist es, die Mitbestimmung und die Unternehmensmitbestimmung auf alle Ebenen des Wirtschaftsprozesses auszuweiten.

Globalisierung, Digitalisierung, Industrie 4.0, demografischer Wandel – diese Zukunftsfragen können nur gelöst werden, wenn möglichst viele Menschen einbezogen werden. Es geht darum, nicht immer billiger, sondern immer besser zu produzieren. Schlechte Bezahlung, verweigerte Mitbestimmung und mangelnde Beteiligung sind Gift für ein nachhaltiges und erfolgreiches Wirtschaftsmodell, das auf Qualitätsproduktion beruht und damit auf die Motivation und das Know-how der Beschäftigten angewiesen ist.

Beschäftigte mehr beteiligen

Notwendig ist mehr und nicht weniger Demokratie, um die Wirtschaft ökologisch und sozialverträglich umzubauen. Die kollektiven Mitbestimmungsrechte sollten durch stärkere individuelle Beteiligungsmöglichkeiten der einzelnen Beschäftigten ergänzt werden. In der heutigen Wissensgesellschaft darf niemand mehr auf die Teilhabe der Menschen verzichten. Gerade um die komplexen Fragestellungen gut zu lösen, braucht es die Ideen und Vorschläge von vielen Menschen. Das beginnt damit, dass Arbeitsplätze alters- und alternsgerecht gestaltet werden. Es schließt die Beteiligung der Betriebsräte bei der Sanierung von Unternehmen, bei Beschäftigungssicherung und Betriebsänderungen ein. Und es bedeutet, dass die Interessenvertreter bei Leiharbeit und Werkverträgen mitreden können. Wie genau diese Prozesse organisiert werden könnten, zeigt die Mitbestimmung bei VW.

Dank des VW-Gesetzes entscheiden die Arbeitnehmer bei dem Autobauer in nahezu allen Unternehmensfragen mit. Dieses Modell könnte Vorbild dafür sein, wie die deutsche Unternehmensmitbestimmung weiterentwickelt werden könnte. Volkswagen und das VW-Gesetz belegen, dass Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung keine Gegensätze sein müssen, sondern durchaus gleichrangige Unternehmensziele sein können. Dass der Autobauer so erfolgreich ist, liegt mit an der Mitbestimmung.


Verbandsklagerecht ist überfällig

Gerade bei Entscheidungen, die alle Beschäftigte eines Betriebes oder Industriezweiges betreffen, müssen die Betroffenen einbezogen werden. Das darf nicht allein die Sache der Kapitaleigner oder eines kleinen Kreises von Managern sein. Dazu gehören auch erweiterte Rechte der Gewerkschaften wie ein Verbandsklagerecht. Bei betrieblichen Konflikten kann es nicht den einzelnen Beschäftigten zugemutet werden, ihre Rechte persönlich in langwierigen Prozessen durchsetzen zu müssen, wie zur Zeit noch. Ein Verbandsklagerecht ist überfällig, damit die Gewerkschaften direkt bei Gesetzes- und Tarifverstößen tätig werden können.

Mitbestimmung ist ein demokratisches Recht und sollte nicht am Werkstor enden. Beschäftigte sollten nicht nur dann mitreden dürfen, wenn die Aufträge ausbleiben oder das Unternehmen wirtschaftliche Probleme hat. Sie sollten grundsätzlich über die Perspektiven ihres Betriebes, ihrer Branche oder ihrer Region mitbestimmen können. Das gilt gerade in Zeiten, in denen es häufig nur um die Renditeaussichten geht und die gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge ausgeblendet werden. Das demokratische Prinzip, nach dem die Betroffenen über ihr eigenes Schicksal selbst entscheiden können, muss stärker berücksichtigt werden. Notwendig ist ein Beteiligungsrecht der Beschäftigten für alle Fragen ihrer Arbeit.

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