Manuel Greuvers arbeitet über ein Leiharbeitsunternehmen bei einem Ford-Zulieferer in Köln. Dort befüllt er pro Tag rund 630 Motoren mit Öl. Auf seine Arbeit ist er stolz und in seiner Schicht herrscht ein gutes Klima. Man steht füreinander ein. Auch Ford sei ein klasse Autobauer, sagt der 32-Jährige. Nein, als er sich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an seinen Betriebsrat wendet, geht es um etwas anderes: Der Lohn, den ihnen die Verleihfirma zahlt, passt nicht.
„Miete, Strom, Essen: da bleibt von knapp tausend Euro Lohn nichts übrig“, sagt Greuvers. Seine sozialen Kontakte leiden. Wenn seine Freunde fragen, ob er am Wochenende mit ausgeht, muss er meistens absagen. „Dabei schlägt einem Leiharbeit ohnehin aufs Gemüt“, sagt der Kölner und fügt an: „Ständig kann man ausgetauscht werden.“
Sein Betriebsrat Osman Carikci nimmt Kontakt mit der IG Metall Köln-Leverkusen auf. Schnell stellt sich heraus, dass das Leiharbeitsunternehmen Greuvers und rund 60 seiner Kolleginnen und Kollegen zu wenig Geld zahlt. Bis zu 50 Prozent zu wenig. Denn ihnen steht ein sogenannter Branchenzuschlag zu, den die IG Metall 2012 ausgehandelt hat. Greuvers und die anderen haben Anspruch auf diesen Zuschlag, weil sie bei einem Autobauer tätig sind und damit in der Metall- und Elektroindustrie.
Um den Zuschlag zu umgehen, behaupten manche Leiharbeitsunternehmen, in einer anderen Branche tätig zu sein. So auch in diesem Fall: Die IG Metall Köln-Leverkusen konfrontiert das Unternehmen mit den Fakten, doch dessen Geschäftsführung sagt, man gehöre zur Dienstleistungsbranche.
Daraufhin beratschlagen Greuvers, seine Kollegen, Betriebsrat Carikci und die IG Metall Köln das weitere Vorgehen. Allen ist klar: Es kann lange dauern, das Geld einzuklagen. Bis zu vier Jahren – wenn es überhaupt klappt. Denn nicht immer heißt Recht haben auch Recht bekommen. Aber die besten Chancen hat man gemeinsam, mit einer starken Gewerkschaft im Rücken. Alle Beteiligten wollen es versuchen.
Wie befürchtet ziehen sich die Gerichtsverhandlungen über Jahre hin. Fast immer mit im Gerichtssaal: Manuel Greuvers. Der Anwalt des Arbeitgebers bemüht schräge Vergleiche, um den Zuschlägen zu entgehen. Er verweist auf den Lohn Beschäftigter, die als Verpacker in der Möbelbranche tätig sind und konstruiert andere Ausflüchte. Greuvers? Kann oft nur bitter lachen.
Eigentlich ist Greuvers ein fröhlicher und aufgeschlossener Typ. Aber die Jahre nagen an seinem Gemüt. Kurz denkt er darüber nach, aufzugeben. „Ich war nur noch gefrustet, dass ich so lang auf mein Geld warten muss. Aber dann sagte ich mir: komm, mach eine Faust in der Tasche. Schwanz einziehen ist nicht!“ Diese Entscheidung soll er nicht bereuen.
Es geht vor das Bundesarbeitsgericht – die letzte Instanz. Der Termin zieht sich über mehrere Stunden. Weil Manuel Greuvers am nächsten Tag Frühschicht hat, muss er das Gericht noch vor der Urteilsverkündung verlassen. Er ist nicht dabei, als die Richterin das Urteil spricht: Die Leiharbeiter sind in einem Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie eingesetzt – und müssen die Branchenzuschläge erhalten. Punkt. Für Greuvers bedeutet das nicht weniger als eine Nachzahlung von rund 30.000 Euro.
Doch der junge Mann mit Dreitagebart befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf der Rückfahrt und weiß noch nichts von seinem Glück. Betriebsrat Carikci greift sofort zum Handy und noch im Auto klingelt Greuvers Telefon: „Herzlichen Glückwunsch. Ihr Habt gewonnen!“
„Mir ist eine Last vom Herzen gefallen. Ich kann das gar nicht beschreiben.“ Gerade zieht Manuel Greuvers gemeinsam mit seiner Freundin in eine neue Wohnung. Das Geld könne er für neue Möbel gut gebrauchen, sagt er. Und um mit seinen Freunden am Wochenende mal wieder auszugehen.