„Der tarifliche Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Tage, der an die Stelle des Anspruchs auf ein tarifliches Zusatzgeld nach dem Tarifvertrag T-ZUG tritt, wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer am Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt ist.“
Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) höchstrichterlich entschieden (Urteil vom 23. Februar 2022 – 10 AZR 99/21).
Bedeutet im Klartext: Wenn Du an Deinem freien T-ZUG-Tag krank wirst, dann ist Dein T-ZUG nicht abgefahren, sondern bleibt Dir erhalten.
Geklagt hatte ein IG Metall-Mitglied bei der Eisengießerei Baumgarte in Bielefeld (Foto oben) – mit Hilfe der IG Metall und seines Betriebsrats.
„Der Arbeitgeber hat gesagt: Jetzt warst du krank, die Tage waren aber schon verplant, Pech gehabt“, berichtet Sebastian Reinz, Betriebsratsvorsitzender bei Baumgarte. „Da haben wir gesagt: Da gehen wir dagegen vor. Denn für uns steht das klar im Tarifvertrag: Kann der Freistellungsanspruch aus personenbedingten Gründen nicht genommen werden, dann besteht zumindest Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld.“
Der klagende Beschäftigte war nicht allein mit seinem Fall bei Baumgarte. Der Arbeitgeber hat bei mehreren Beschäftigten den Tarifvertrag (Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie NRW) zu seinen Gunsten ausgelegt – und das T-ZUG der erkrankten Beschäftigten für sich behalten.
Bei der Eisengießerei Baumgarte nutzen viele Beschäftigte die Option auf freie Tage zur Entlastung von der schweren Arbeit, auf Anraten ihres Betriebsrats. 2021 beantragten 65 der 234 Beschäftigten die freien T-ZUG-Tage, 50 von ihnen waren Schichtarbeiter. Doch gerade in der Corona-Zeit waren viele krankgeschrieben und konnten ihre geplanten freien Tage daher nicht nutzen.
Etliche haben mit Hilfe ihres Betriebsrats ihr T-ZUG geltend gemacht – und einige mit Hilfe der IG Metall geklagt, bis zum Landesarbeitsgericht. Sie alle bekommen jetzt nach dem Erfolg ihres Kollegen vor dem BAG zumindest eine Nachzahlung.
Auch in anderen Betrieben der IG Metall Bielefeld haben IG Metall-Mitglieder ihren tariflichen Anspruch geltend gemacht. „Wir haben schon seit 2019 unsere Betriebsräte und Mitglieder zum T-ZUG bei Krankheit mobilisiert“, erklärt Oguz Önal, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Bielefeld. „Die Beschäftigten mit guten Betriebsräten bekommen jetzt eine Nachzahlung.“
Eventuell können sie sogar ihre freien T-ZUG-Tage aus früheren Jahren noch einmal nachträglich nehmen. Darauf deutet der Text in der Pressemitteilung des BAG hin: „Die Auslegung des Manteltarifvertrags ergibt, dass der Anspruch auf Freistellung an Tagen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt werden kann. Er besteht als originärer Erfüllungsanspruch fort und ist grundsätzlich nicht auf das Kalenderjahr befristet.“
Betriebsrat und IG Metall warten nun noch auf die Urteilsbegründung des BAG, die in rund vier Wochen zu erwarten ist.
Das Tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG) ist eine jährliche Sonderzahlung in tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie, die es seit 2019 gibt. Beschäftigte mit Kindern, Pflege oder in Schichtarbeit haben die Option, das T-ZUG in freie Tage umzuwandeln. Die IG Metall hat das T-ZUG in der Metall-Tarifrunde 2018 durchgesetzt. 1,5 Millionen IG Metall-Mitglieder haben damals mit Warnstreiks Druck gemacht.
Rechtlichen Anspruch auf das T-ZUG haben – wie bei allen tariflichen Leistungen – nur Mitglieder der IG Metall. Voraussetzung für die Geltendmachung und Klage (Achtung Frist drei Monate) ist daher die Mitgliedschaft in der IG Metall.
Wichtig: Wenn Du an Deinem freien T-ZUG-Tag krank bist, dann musst Du Dich arbeitsunfähig melden, eventuell krankschreiben lassen und – wie bei Krankheit im Urlaub – Deinen T-ZUG-Tag schnellstmöglich beim Arbeitgeber geltend machen. Bei Fragen und Problemen hilft Dir Dein Betriebsrat oder Deine IG Metall-Geschäftsstelle vor Ort.