Peter Donath: Ein Arbeitsvertrag ist etwas anderes als ein Handyvertrag. Die Existenz der Menschen hängt in der Regel an ihrem Arbeitsverhältnis. Ein Betrieb ist auch mehr als eine Kapitalanlage mit der Garantie einer Festverzinsung. Er ist eine gesellschaftliche Einrichtung. Im Grundgesetz steht: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Diesem Sozialstaatsgebot trägt der Kündigungsschutz, wie wir ihn in Deutschland kennen, Rechnung.
Nein. Der Kündigungsschutz kann Entlassungen nicht verhindern, aber zumindest willkürlichem Handeln der Arbeitgeber Grenzen setzen. Das ist ein Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie in Deutschland haben. In anderen europäischen Ländern gibt es vergleichbare Regelungen, Insbesondere im angelsächsischen Raum, gibt es einen Schutzschild in dieser Form nicht.
Mit einer Einstellung gehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein formales Vertragsverhältnis ein. Ein Vertrag geht immer von zwei in irgendeiner Art gleichberechtigten Partnern aus. Das ist bei einem Arbeitsvertrag aber nicht der Fall.
Ein einfaches Beispiel: Erscheint ein Arbeitnehmer unentschuldigt nicht zur Arbeit, bricht er seinen Vertrag und der Arbeitgeber hat das Recht, ihm zu kündigen. Für den Arbeitnehmer hat das existenzielle Folgen, für den Arbeitgeber ist das eher selten der Fall. Wenn der Arbeitgeber aber den Lohn verspätet oder gar nicht zahlt, hat der Arbeitnehmer seinerseits das Recht, das Arbeitsverhältnis aufzukündigen. Auch in diesem Fall sind die Folgen für ihn schwerwiegender.
Es herrscht also kein wirtschaftliches Gleichgewicht zwischen beiden Parteien. Mit dem Kündigungsschutz und der betrieblichen Mitbestimmung versucht der Gesetzgeber dieses Ungleichgewicht ein Stück weit auszugleichen.
Es gibt Untersuchungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die die These, der Kündigungsschutz verhindere neue Einstellungen, als Märchen entlarven. Es gibt schlicht keine Belege dafür.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat ermittelt, dass etwa sechs Millionen Menschen in Kleinbetrieben mit weniger als zehn Beschäftigten arbeiten, für die der Kündigungsschutz nach aktuellem Recht nicht gilt. Greift die Regelung – wie die FDP plant – künftig erst ab 21 Beschäftigten, kommen noch einmal vier Millionen dazu. Das heißt, etwa zehn der rund 36 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland hätten keinerlei Schutz gegen willkürliche Kündigungen.
Man darf den psychologischen Aspekt solcher Pläne nicht vergessen: Im Prinzip sind sich Politik, Gewerkschaften und auch Teile der Arbeitgeber bislang einig, nicht mit Entlassungen auf die Krise zu reagieren. Wenn die FDP den Kündigungsschutz jetzt zur Disposition stellt, gibt sie das völlig falsche Signal.
Eine wichtige Funktion des Kündigungsschutzes ist es doch, dass er Beschäftigten ermöglicht, im Unternehmen souverän und halbwegs auf Augenhöhe auftreten zu können. Es geht darum, auch mal den Mund aufmachen zu können: Wenn ich ungerecht bezahlt werde, wenn mir mein Urlaub nicht gewährt wird, wenn mir Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag vorenthalten werden, dann muss ich das ansprechen können, ohne Angst haben zu müssen, dass der Chef gleich zur Kündigung greift. Das Kündigungsschutzgesetz schließt eine solche Willkür im Großen und Ganzen aus.
Kündigungsschutz: die Fakten Kündigungsschutz: Warum er wichtig ist