Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein Montagearbeiter kommt zur Arbeit. Er plaudert mit Kollegen über den Produktionsleiter und nennt ihn „das fette Schwein“. Dumm nur: Der Chef steht ein paar Meter weiter. Er hat alles gehört, fühlt sich beleidigt. Der Montagearbeiter erhält eine fristlose Kündigung.
Dass hier eine Beleidigung vorliegt, würde wohl kaum jemand bestreiten. Doch was, wenn sich die ganze Unterhaltung im Internet abspielt? Und wenn der Montagearbeiter gar nicht das Wort „Schwein“ benutzt, sondern ein Emoji in Form eines Schweinchen-Kopfes? Mit diesen Fragen musste hat sich kürzlich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg befassten
Im echten Leben heißt der Montagearbeiter Herr F. Er arbeitet bei einem Maschinenbauunternehmen. Einer seiner Kollegen wird längere Zeit krankgeschrieben, wegen eines Arbeitsunfalls. Der Kollege schreibt über die Verletzung in seiner Facebook-Chronik. Es folgt „eine lebhafte Diskussion in der Kommentarfunkton“, wie es in der Urteilsschrift des Landesarbeitsgerichts (LAG) heißt.
Der Montagearbeiter postete dabei folgende Sätze:
Kurz darauf bekommt der Arbeitgeber Wind von der Diskussion. Die Reaktion: Fristlose außerordentliche Kündigung. Herr F. will aber bei der Firma weiterarbeiten. Er klagt gegen die Kündigung – und bekommt vor dem Arbeitsgericht Pforzheim auch Recht. Das Maschinenbauunternehmen geht in Berufung. Der Fall landet vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg.
Das LAG musste nun zwei Dinge klären: Handelt es sich bei den wilden Mischungen aus Wörtern und Emojis tatsächlich um eine Beleidigung von Vorgesetzten? Und wenn ja: Ist eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt?
Den ersten Punkt beantworteten die Richter unmissverständlich: Die Bezeichnung einer Person als „fettes (Schweine-Emoji)“ stelle „ohne Zweifel eine grobe Beleidigung dar“. Bei dem Ausdruck „(Bären-Emoji) kopf“ komme es auf die Umstände an.
Fest steht: Solche Beleidigungen können ein Kündigung rechtfertigen. Der Grund: Sie sind ehrverletzend und verstoßen damit gegen die Pflicht der Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers. Und sie untergraben die Stellung des Vorgesetzten.
Eine besondere Rolle spielte für das Gericht der Ort, an dem die Beleidigung stattfand: Facebook. Herr F. hatte seine Kommentare in der Facebook-Chronik eines Arbeitskollegen gepostet. Dadurch konnte er nicht wissen, welche anderen Nutzer seine Beiträge zu Gesicht bekommen. Die Kontrolle über die Privatsphäre-Einstellungen liegt in diesem Fall bei dem Arbeitskollegen.
Der Montagearbeiter durfte seine Arbeitsstelle am Ende trotzdem behalten. Eine fristlose Kündigung fand das Gericht unverhältnismäßig. Nicht zuletzt deshalb, weil F. im Wechsel mit seiner Ehefrau das einjährige Kind betreut und die demenzkranke Großmutter pflegt. Einen anderen Arbeitgeber zu finden, bei dem beides möglich ist, sei in der ländlichen Region „mehr als schwierig“, urteilte das Gericht.
Außerdem habe F. im Arbeitsalltag nur selten mit den beiden betroffenen Vorgesetzten zu tun. Vor einer Kündigung hätte es eine Abmahnung geben müssen.
Wer sich bei Facebook über die Arbeit unterhält, kann sich oft nicht sicher sein, wer mitliest. In der eigenen Facebook-Chronik lassen sich Beiträge noch relativ gut kontrollieren – über die eignen Privatsphäre-Einstellungen. Anders sieht es mit Kommentaren aus, die man unter Beiträgen anderer Facebook-Nutzer postet. Hier ist der Kreis potenzieller Leser nicht zu kontrollieren. Die Kontrolle liegt bei dem Nutzer, der den ursprünglichen Beitrag gepostet hat. Der Empfängerkreis kann auch nachträglich geändert werden. Hier ist Vorsicht geboten.
Emoticons können beleidigen
Nicht nur Wörter oder Gesten können beleidigen. Auch Emoticons bzw. Emojis können eine Beleidigung darstellen – so wie das „fette (Schweine-Emoji)“ im oben geschilderten Fall.
Beleidigung von Vorgesetzten kann ein Kündigungsgrund sein
Wer Vorgesetzte beleidigt – sei es im Betrieb oder in sozialen Netzwerken im Internet – muss möglicherweise mit einer Abmahnung oder gar einer Kündigung rechnen. Solche Beleidigungen können die Stellung des Vorgesetzten untergraben.
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Die Gerichtsentscheidung in dem oben geschilderten Fall lässt sich nicht verallgemeinern. Es gilt die Einzelfallentscheidung.