12. Juli 2017
Branchenzuschlägen bei Dienstleistern
Wie Leiharbeiter an ihr Geld kommen
Leiharbeiter in Metallbetrieben erhalten nach einem Tarifvertrag der IG Metall Branchenzuschläge. Bei Dienstleistern von Metallbetrieben jedoch wurden ihnen das bislang verweigert. Zu Unrecht, entschied nun das Bundesarbeitsgericht. Unser Rechtsexperte Martin Bauer hat uns einige Fragen beantwortet.

Wen betreffen die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts? Wer profitiert?

Martin Bauer: Alle Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, die in Kundenbetrieben eingesetzt werden, die von unseren Tarifverträgen zu Branchenzuschlägen erfasst werden und denen die Zuschläge bislang vorenthalten wurden. Auch wenn die Entscheidungen des Bundesarbeitsgericht (BAG) sich unmittelbar allein auf den Tarifvertrag für Branchenzuschläge der Metall- und Elektroindustrie bezogen haben, lassen sich maßgebliche Gesichtspunkte auch auf unsere Tarifverträge zu Branchenzuschlägen in der Holz- und Kunststoffindustrie sowie der Textil- und Bekleidungsindustrie übertragen.


Mit welcher Begründung haben denn die Verleiher die Zuschläge verweigert?

In den vom BAG entschiedenen Fällen meinten die Verleiher, dass die Entleiherbetriebe als „Dienstleister“ nicht einem Wirtschaftszweig zugeordnet werden könnten, der vom Tarifvertrag erfasst wird. Zudem meinten sie, dass es sich auch nicht um einen Unterstützungsbetrieb für einen Betrieb eines einschlägigen Wirtschaftszweigs handeln würde. Deshalb ― so argumentierten die Verleiher ― wäre der fachliche Anwendungsbereich des Tarifvertrags gar nicht eröffnet. Das BAG hat jedoch klargestellt, dass auch ein Betrieb, der nur Teilschritte im Produktionsprozess erbringt, dennoch dem maßgeblichen Wirtschaftszweig zugeordnet werden kann. Das heißt: Dienstleister von Metallbetrieben können auch zur Metallindustrie gehören. Und somit gibt es dort auch die tariflichen Branchenzuschläge für Leiharbeiter in der Metallindustrie. Zum anderen hat das BAG herausgestellt, dass ein Unterstützungsbetrieb im Sinne des Tarifvertrags nicht voraussetzt, dass er denselben Inhaber haben muss, wie der Fertigungsbetrieb. Ausreichend ist, dass die betriebliche Tätigkeit des Entleihers sich ausschließlich oder überwiegend auf die Unterstützung des Fertigungsbetriebs richtet.


Was muss ich tun, um tarifliche Branchenzuschläge zu erhalten? Wie gehe ich vor?

Leiharbeitnehmer, die die ihnen zustehenden Zuschläge nicht erhalten, müssen diese bei ihrem Arbeitgeber ― also dem Verleiher ― schriftlich geltend machen. Wer auch daraufhin sein Geld nicht bekommt, dem bleibt nur der Gang zum Arbeitsgericht. Wir unterstützen unsere Mitglieder dabei. Ansprechpartner sind die Geschäftsstellen vor Ort. Auch Kläger die im Februar vom BAG Recht bekommen haben, haben diese Verfahren ohne jedes Kostenrisiko mit unserem Rechtsschutz geführt.


Kann ich die Branchenzuschläge auch rückwirkend geltend machen?

Auch für die Vergangenheit können Branchenzuschläge gefordert werden, allerdings setzen Ausschlussfristen dem im Regelfall zeitliche Grenzen. Die Tarifverträge, die die großen Arbeitgeberverbände der Leiharbeitsbranche geschlossen haben, sehen vor, dass Ansprüche spätestens drei Monate nach Fälligkeit der Zahlung schriftlich geltend gemacht werden müssen. Lehnt der Arbeitgeber die Zahlung ab, muss innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten ab Zugang der schriftlichen Ablehnung der Anspruch eingeklagt werden. Soweit diese Fristen nicht eingehalten werden, sind Ansprüche ausgeschlossen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Verleiher im Hinblick auf die oben dargestellten Verfahren erklärt hatte, auf die Ausschlussfrist zu verzichten.


Wie viel Geld bekomme ich dann?

Der Tarifvertrag für die Branchenzuschläge in der Metall- und Elektroindustrie sieht vor, dass nach sechs Wochen im Einsatzbetrieb 15 Prozent Zuschlag auf die Vergütung zu zahlen sind. Die Zuschläge steigern sich je nach Dauer des Einsatzes auf 50 Prozent nach Vollendung von neun Monaten. Künftig wird es zudem nach 15 Monaten eine weitere Stufe von 65 Prozent geben. Die Tarifverträge für die Branchenzuschläge in der Holz- und Kunststoffindustrie bzw. der Textil- und Bekleidungsindustrie sehen jeweils andere Stufen vor.


Ab wann erhalte ich dann das gleiche Entgelt wie die Stammbeschäftigten? Oder gar mehr?

Das kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Zuschläge berechnen sich allein auf Grundlage der tariflichen Vergütung der Leiharbeitnehmenden. Zu beachten ist auch, dass der Vergleichsmaßstab die Beschäftigten des Entleihers und nicht die des Fertigungsbetriebs sind. Gelten für den Entleiherbetrieb nicht die Tarifbedingungen der Metall- und Elektroindustrie, werden Leiharbeitnehmende mitunter schon nach kurzer Zeit das Entgelt eines Stammbeschäftigten erreichen. Die Tarifverträge enthalten eine Deckelungsmöglichkeit, die das Entgelt von Leihbeschäftigten auf den Verdienst der Stammbeschäftigten im Betrieb begrenzt. Wenn Entleiher die Deckelung der Zuschläge von Leiharbeitnehmenden nicht geltend machen, können Leiharbeitnehmende aber auch mehr als vergleichbare Stammbeschäftigte verdienen. Spätestens nach 15 Monaten Einsatz im selben Betrieb müssen Leiharbeitnehmende mindestens das gleichwertige Entgelt erhalten wie vergleichbare Stammbeschäftigte. Diese Neuregelung im Tarifvertrag Branchenzuschlag greift allerdings erst nach dem 1. Januar 2018.


Leiharbeit: Alle Infos zum BAG-Urteil

Arbeits- und Sozialrecht

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