Nein, eine Betriebsratslaufbahn war bei Bernard Likefett nicht vorauszusehen. Nicht nur, weil er als Kind kaum Berührungspunkte mit Gewerkschaften hatte. Für den Vater, Kaufmann von Beruf, spielte das keine Rolle: „Man kommt alleine gut zurecht, da braucht es keine Gewerkschaften“, hieß es. Auch in Bernards Berufsleben nahmen Gewerkschaften zunächst keinen Platz ein. Nach der Ausbildung und einem Studium der Elektrotechnik heuerte er als Ingenieur bei FHP-Motors in Oldenburg an. „Ich war damals 30 Jahre alt“, erinnert er sich. „Top ausgebildet, studiert, gesuchte Fachkraft – eigentlich konnte da nichts schief gehen“.
Es kam anders. Schon bald machte Bernard die Erfahrung, dass auch Fachkräfte wie Ingenieurinnen und Ingenieure von Jobabbau betroffen sein können: „Plötzlich hat der Arbeitgeber gesagt: Wir brauchen nur sechs Entwickler statt 30. Da habe ich gemerkt, wie schnell so etwas gehen kann und bin in die IG Metall eingetreten.“
Betriebsrat Bernard Likefett bei ZF in Hannover. Foto: Michael Wallmüller
Bei der Mitgliedschaft blieb es erst einmal, auch beim neuen Arbeitgeber WABCO (heute ZF CV Systems) in Hannover, wo Bremssysteme entwickelt werden. Bis es zu einem Gespräch mit der IG Metall vor Ort und dem Betriebsrat kam: „Ich habe damals gesagt, dass ich mich eher als ,passives‘ Mitglied sähe“, meint Bernard. „Es kam die Antwort: ,Aber du musst doch nicht passiv bleiben – schau dir doch mal an, was wir so machen.‘“ Es dauerte nicht lange, bis Bernard überzeugt war. Erst jahrelang als Vertrauensmann aktiv, wurde er 2018 erstmals zum Betriebsrat gewählt.
Das gezielte Ansprechen der Ingenieurinnen und Ingenieure im Betrieb ist Bernard ein besonderes Anliegen. Sein eigener Weg zur IG Metall hilft ihm dabei. „Im Angestelltenbereich und bei den Ingenieuren besonders musst du viel Überzeugungsarbeit leisten – und auch viel Aufklärung.“ Viele der Ingenieurinnen und Ingenieure, die heute bei ZF dazu kommen, haben im Studium so gut wie keine Berührungspunkte mit Betriebsrat und Gewerkschaft, kennen selten deren Arbeit im Betrieb.
„Am besten funktioniert die Ansprache über Einzelgespräche“, ist sich Bernard sicher. „Auch wenn es mit einem Gespräch nicht getan ist. Gerade top ausgebildete Ingenieure wollen überzeugt werden. Viele finden, dass sie durch ihre Stellung sowieso ein gutes Gehalt und einen sicheren Arbeitsplatz haben und denken sich: ,Da brauche ich keine Gewerkschaft‘.“
Aber wie bricht man diese Haltung auf? „Natürlich musst du versuchen, mit anderen Dingen zu punkten“, findet Bernard. Gerade Faktoren wie zunehmende Arbeitsverdichtung und eine gesunde Work-Life-Balance seien im Ingenieursbereich wichtig. „Wir erklären dann zum Beispiel, wie der Betriebsrat daran mitarbeitet, bisher umständliche Arbeitsprozesse zu vereinfachen, indem er das Feedback der Beschäftigten einfließen lässt. Dann wird vielen auch klar, dass Betriebsrat und Gewerkschaft nicht nur für die Beschäftigten in der Produktion sinnvoll sind. Wichtig ist vor allem: Du musst zeigen, dass du auch konkret Dinge umsetzt.“ Über solche langen Einzelgespräche konnte Bernard schon einige Ingenieurinnen und Ingenieure für die IG Metall gewinnen.
Derzeit arbeiten Bernard und seine Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat an einem Zielbildprozess: Es werden unter anderem Ideen gesammelt, welche Produkte in Zukunft am Standort hergestellt werden sollten, wie man die Digitalisierung besser nutzen kann oder wie Qualifizierung für die Zukunft ausgerichtet werden sollte. Aus diesen Ideen und Workshops soll bald eine Betriebsvereinbarung entstehen, die Standort und Beschäftigung über Jahre hinaus sichert. „Die Beschäftigten sollen sehen: Durch ihr Engagement bewegt sich etwas.“
Genug zu tun bleibt aber. Deshalb möchte Bernard auch unbedingt Betriebsrat bleiben: Im Frühjahr kandidiert er erneut bei den Betriebsratswahlen. „Gerade im Ingenieursbereich haben wir immer noch viel Potenzial, da möchte ich weiter meinen Beitrag leisten.“ Lachend fügt er hinzu: „An mir sieht man ja, dass es geht, Ingenieur und Gewerkschafter zugleich zu sein.“