18. März 2022
Nicole Hirtz, Betriebsrätin bei Ford in Saarlouis
„Müssen immer noch gegen Vorurteile ankämpfen“
Wie bringe ich mein Kind in die Kita trotz der sperrigen Schichtzeiten? Oder: Bin ich richtig eingruppiert? Bei Ford in Saarlouis arbeitet Betriebsrätin Nicole Hirtz seit zwei Jahrzehnten an ganz praktischen Antworten zu Gleichstellungsfragen.

Gleichstellung wird viel gefordert, in den Betrieben lässt sie sich durch die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten aber oft viel konkreter anpacken. Studien belegen: Betriebe mit Betriebsrat sind weiter mit der Gleichstellung – ob beim Entgelt oder in Vereinbarkeitsthemen. Wie das konkret aussehen kann, dafür steht das Engagement von Nicole Hirtz, Betriebsrätin bei Ford in Saarlouis.


So klappt’s mit den Kita-Zeiten

Seit zwei Jahrzehnten setzt sich die 37-Jährige für die Gleichstellung von Frauen in ihrem Betrieb ein. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen haben dabei ganz konkrete Lösungen geschaffen. Ein Beispiel: Was tun, wenn das Kind nicht zu den Schließzeiten in den Kindergarten gebracht werden kann, weil die Eltern beide in Schichtzeiten arbeiten, die das verhindern? Die Betreuung der Kinder fällt überwiegend zur Last der Frauen aus. Corona hat gezeigt: Sobald es ein Betreuungsproblem gibt, sind es meistens die Frauen, die die Sorgearbeit übernehmen und mit der Arbeitszeit kürzertreten. „Es sind selten die Männer, die einen Schritt zurück machen‘“,sagt Nicole.

Also hat der Betriebsrat eine Lösung auf den Tisch gebracht. Gemeinsam mit der Lokalpolitik haben sie mit der Unternehmensleitung und einem örtlichen Kindergarten eine Kooperation ausgehandelt, die für die betroffenen Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter besondere Betreuungszeiten anbietet. „Konkret heißt das: Dort gibt es nun 20 Plätze für Kinder, die morgens ab 5 Uhr gebracht und bis 22.30 Uhr abgeholt werden können“, sagt Nicole und schiebt direkt hinterher: „Natürlich gibt es eine tägliche Maximalstundenanzahl von 10 Stunden, damit kein Kind zulange in der Betreuung ist.“


Von Anfang an engagiert

Aber das ist noch nicht alles. „Immer wieder kommen Frauen, die in Schicht arbeiten, auf mich zu und fragen nach flexibleren Arbeitszeiten, um eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie herzustellen.“ Als dann eine neue Gruppe in der Logistik geschaffen wurde, ist Nicole gemeinsam mit anderen Betriebsrätinnen und Betriebsräten auf die Unternehmensleitung zugegangen. „Diese Plätze müssen wir mit Beschäftigten mit Betreuungsproblemen besetzen – egal ob Mann oder Frau.“ Die Führungsriege bei Ford war direkt überzeugt und seit kurzem gibt es eine offizielle Vereinbarung für die Kolleginnen und Kollegen.

Nicole ist bei Ford seitdem sie 16 Jahre alt ist. Ihr Großvater hat das Werk mit aufgebaut, sie ist die dritte Generation in der Familie, die dort arbeitet. „Ich bin seit dem ersten Tag Mitglied bei der IG Metall und seitdem aktiv“ – erst als Jugend Vertrauensfrau und schließlich wird sie in den Frauenausschuss geholt. „Die brauchten junges Blut und mich haben diese Themen schon immer beschäftigt“, sagt sie heute. Seit 2011 ist sie auch Mitglied des Betriebsrats.


Betriebsratsawahl trifft auf Frauenmonat

Nicole hat in den 20 Jahren, seit sie sich für die Gleichstellung in ihrem Betrieb und darüber hinaus einsetzt, gelernt, dass das Thema zwar viele Leute betrifft, aber auch viel Arbeit rein fließen muss, Kolleginnen und Kollegen dafür zu sensibilisieren. Von den 4700 Beschäftigten bei Ford in Saarlouis sind knapp 800 Frauen. „Bei Ford kriegst Du als Frau das gleiche Geld wie der Mann, der in der Halle neben Dir steht. Aber auf die Position musst Du auch erst einmal kommen“, weiß die langjährige Betriebsrätin.

Bei der Betriebsratswahl, die seit dem 13. März bei Ford in Saarlouis läuft, ist sie wieder angetreten und wird somit wohlmöglich bald ihre vierte Amtszeit beginnen. Die Wahl fällt in ihrem Werk immer in die Nähe des internationalen Frauentags. Das nutzen Nicole und auch die Frauen aus dem Ortsfrauenausschuss, von dem sie Vorsitzende ist, um die Gleichstellungsthemen noch einmal ganz deutlich in den Betrieben zu platzieren.


„Gläserne Decke“ einreißen

„Wir wollen selbst entscheiden, wie wir leben wollen. Dafür brauchen wir die IG Metall als starke Interessensvertretung in den Betrieben. Wir brauchen gleiche Entwicklungsmöglichkeiten und gleiches Entgelt für alle“, fordert Nicole. Dank des Tarifvertrages der IG Metall gibt ein gutes Entgelt für jeden, doch oft seien höhere Positionen mit höherem Entgelt für Frauen nicht oder nur schwer erreichbar. Sie würden immer noch an die sogenannte gläserne Decke stoßen und müssen gegen Vorurteile ankämpfen, sagt Nicole.

Und auch wenn es in der Gesellschaft schon große Fortschritte in Sachen Vereinbarkeit gibt, müsse die Vereinbarkeit von Familie und Beruf so gestaltet werden, dass den Frauen langfristig gar keine Nachteile mehr entstünden, weder im Beruf noch im Privatleben, so Nicole. „Eigentlich ist es ganz einfach und wir verlangen auch nicht viel: Wir wollen bloß von allem die Hälfte. Schließlich macht unser Geschlecht 50 Prozent der Weltbevölkerung aus.“ Dafür wird Nicole auch in Zukunft weiter einstehen.


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