Das Entsetzen war groß, aber beim Entsetzen, das war allen sofort klar, durfte es nicht stehen bleiben. Als im Januar dieses Jahres erste Nachrichten von einem Treffen von Politikern der AfD sowie rechter und rechtsextremer Gruppierungen in Potsdam die Runde machten, bei dem auch laut darüber nachgedacht wurde, ganze Bevölkerungsteile zu remigrieren, da wuchs bei den Mitgliedern des Konzern- und Gesamtbetriebsrats der Siemens AG schnell die Überzeugung: Wir Betriebsrätinnen und Betriebsräte müssen aktiv werden. Gemeinsam mit dem Siemens-Team der IG Metall entstand das Projekt „Demokratie schützen, Grundwerte stärken“. Für dieses Projekt wurde der Konzern- und Gesamtbetriebsrat der Siemens AG nun in Bonn mit dem Deutschen Betriebsräte-Preis in Gold ausgezeichnet.
„Wir haben es bei der Europawahl gesehen, wir erleben es bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen und jetzt gerade wieder bei den Präsidentschaftswahlen in den USA: Es gibt einen besorgniserregenden Rechtsruck. Die Demokratie, wie wir sie kennen, wird angegriffen. Wir lassen uns nicht einschüchtern und treten für die Demokratie ein. Gerade jetzt ist es entscheidend, im Betrieb entschlossen aufzutreten und klare Kante zu zeigen. Demokratie lebt vom Mitmachen“, sagte Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall in ihrer Laudatio im Plenarsaal in Bonn. „Das habt ihr in den Augen der Jury mit eurem Projekt beispielhaft getan. Ihr habt, als es darauf ankam, Initiative gezeigt, nachhaltig und langfristig. Ihr habt mit Eurem Projekt Demokratie und Vielfalt zu einem Handlungsfeld im Betrieb gemacht. Und so auch im Betrieb ein Zeichen gesetzt.“
In dem Projekt „Demokratie schützen, Grundwerte stärken“ versammeln sich zahlreiche Aktivitäten mit dem Ziel, bei Siemens gemeinsam mit den Beschäftigten eine klare Position gegen Rechtsextremismus und für Vielfalt, Respekt und Demokratie zu setzen. Gemeinsam mit dem Management wurden Aktivitäten entwickelt und auch schon erste durchgeführt - Aktivitäten wie der „Dialog für Toleranz und Vielfalt“, bei dem Gesamtbetriebsratsvorsitzende Birgit Steinborn zusammen mit der Siemens-Arbeitsdirektorin, Judith Wiese, an verschiedenen Standorten in den Dialog mit den Beschäftigten gehen und signalisieren: Beim Thema gegen Rechtsradikalismus passt kein Blatt zwischen uns. Oder der Aktionsmonat Mai zum Geburtstag des Grundgesetzes, in dem die Siemens Standorte in Deutschland aufgerufen waren, lokale Aktionen zu Toleranz und Vielfalt durchzuführen.
Festgehalten werden kann deshalb: Die Siemens-Betriebsrätinnen und Betriebsräte übernehmen Verantwortung. Sie haben das Handlungsfeld „Demokratie schützen“ zu ihrem Thema gemacht. Des Weiteren hat die Firmenseite mehrfach klar Stellung bezogen und arbeitet in der Thematik eng mit dem Gesamtbetriebsrat zusammen. Gemeinsam mit der IG Metall wird an weiteren Aktivitäten, auch in Hinblick auf die Betriebsratswahlen 2026 gearbeitet.
„Demokratie wird im Betrieb gelebt und muss auch im Betrieb geschützt werden“, betonte Christiane Benner in ihrer Laudatio. „Ihr habt das nicht nur erkannt, sondern euch als zentralen Akteur begriffen.“
Auch der Betriebsrat der Daimler Truck AG in Leinfeld-Echterdingen hat Wegweisendes geleistet: Im Zuge der Neugründung eines europäischen Betriebsrats ist es ihm mit Unterstützung der IG Metall und IndustrieALL gelungen, einen Weltkonzernbetriebsrat zu gründen, der eine echte Mitbestimmung auf globaler Ebene gewährleistet. Dem Betriebsrat der Daimler Truck AG in Leinfelden-Echterdingen gelang es so, die Daimler-Weltarbeitnehmervertretung mit eigenen Rechten auszustatten. Dafür wurden sie in Bonn mit dem Sonderpreis „Mitbestimmung erweitern“ ausgezeichnet.
„In einer Welt, die immer weiter zusammenwächst, in der das Kapital und die Unternehmen quasi grenzenlos agieren, ist es von immer größerer Bedeutung, dass auch Arbeitnehmervertretungen Strukturen schaffen, in denen sie global zusammenarbeiten können“, sagte Peter Kippes, Bereichsleiter Betriebspolitik beim Vorstand der IG Metall in seiner Laudatio. „Umso wichtiger ist für die Betriebsräte in der Welt sich systematisch zu vernetzen und informiert zu werden über alle Projekte, die über mehre Länder hinweg von Bedeutung sind. Sie benötigen Möglichkeiten sich entsprechend zu beraten und bei Bedarf sogar externe Sachverständige einschalten zu können. All das ist euch mit einer Vereinbarung mit dem Unternehmen gelungen.“
Jörg Lorz, Stellvertretener Vorsitzender des Europäischen- und Weltbetriebsrats Daimler Truck betonte: „Es gibt und gab immer wieder grenzübergreifende Projekte im Unternehmen, welche Auswirkungen auf Struktur, Personaldecke sowie strategische Ausrichtung haben, die über die europäischen Grenzen hinausgehen.“ Aus diesem Grund sollten auch die außereuropäischen Länder mit entsprechenden Informations- und Beratungsrechten ausgestattet werden. „Die weltweite Zusammenarbeit der Arbeitnehmervertretungen führt zu sinnvollen Synergien und hilft den Betriebsräten in der Welt sich systematisch zu vernetzen und über alle Projekte mit grenzüberschreitendem Charakter informiert zu werden. Sie haben die Möglichkeit sich entsprechend zu beraten und bei Bedarf sogar externe Sachverständige einschalten zu können“, so Jörg Lorz. Der Informationsfluss sei hierdurch systematisch gegeben und die Qualtität der Betriebsratsarbeit könne massiv gesteigert werden.
Für Michael Brecht, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Daimler Trucks war es daher ein Anliegen die weltweiten Betriebsratskollegen einzuberufen und sich für eine entsprechende Vereinbarung einzusetzen. Gemeinsam mit der IG Metall und IndustriALL wurde ein Vorschlag für eine Vereinbarung erarbeitet, welche die europäischen Rechte auf die weltweiten Kollegen überträgt. Innerhalb eines Jahres gab es regelmäßig zunächst interne Abstimmungstermine hinsichtlich Formulierungen und Präsentationen von Zwischenständen im Rahmen der Weltarbeiternehmervertertungssitzungen.
„Im Ergebnis konnte eine tolle Einigung einer Vereinbarung zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrats sowie eines Weltbetriebsrats getroffen und unterschrieben werden“, so Michael Brecht, Vorsitzender des Europäischen- und Weltbetriebsrats. Als Erfolg konnte die Vereinbarung zur Weltarbeitnehmervertretungssitzung im November 2022 unterschrieben werden und das entsprechende, weltweit agierende Gremium wurden final konstituiert.
„Wir sind sehr stolz auf diese Vereinbarung, denn sie ist innovativ und sucht seinesgleichen in vergleichbaren Industrieunternehmen“, sagt Michael Brecht. „Die Arbeitnehmervertretung von Daimler Truck ist führend was die Ausgestaltung der Rechte dieses internationalen Gremiums angeht.“