Thomas Gelder: Es gibt eine deutliche Diskrepanz zwischen den öffentlichen Verhaltensvorschriften und der Wirklichkeit in den Betrieben. Das zeigen Stichproben, die wir in den Betrieben gemacht haben. Die Corona-Krise macht deutlich, auf welchem jeweiligen Niveau sich der betriebliche Arbeitsschutz und insbesondere der Gesundheitsschutz befindet. Oft arbeiten Beschäftigte weiter Schulter an Schulter.
Die Arbeitgeber müssen endlich ihrer gesetzlichen Fürsorgepflicht nachkommen statt vor allem auf die Zahlen zu schauen. Insbesondere sind nun die Betriebsärzte gefordert. Jeder Arbeitgeber muss laut Arbeitssicherheitsgesetz einen Betriebsarzt bestellen. Ärztinnen und Ärzte haben unter anderem die Aufgabe, Arbeitgeber und Betriebsrat zu beraten. Sie müssten nun den Ton angeben und gemeinsam mit Betriebsräten Maßnahmen zum Gesundheitsschutz durchsetzen. Leider funktioniert das in vielen Betrieben nicht.
Wir hatten da beispielsweise einen Fall in einem Textilunternehmen mit einem über 70 Jahre alten Betriebsarzt. Er weigerte sich, bei Arbeitsbeginn seine eigene Temperatur zu messen, was für die Belegschaft überhaupt kein Problem darstellte. Er fuhr wutentbrannt weg, statt seine Aufgabe wahrzunehmen: Er hat Unternehmer und Betriebsrat zu beraten. Gerade jetzt wären die Betriebsärzte gefordert. Doch in vielen Betrieben weiß die Belegschaft nicht mal, wer ihr von der Firma bestellter Betriebsarzt ist. Jetzt rächt es sich, dass viele Betriebe keinen gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsrat gewählt haben.
Im System von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz hat ein Betriebsrat wichtige gesetzliche Aufgaben. Insbesondere die Zusammenarbeit mit dem von dem Betrieb zu bestellenden Betriebsarzt ist wichtig. Der Betriebsrat stimmt bei der Einstellung von Betriebsärzten mit zu. Und in den Betrieben in unserer Region setzen Betriebsräte aktuell zahlreiche Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten durch: wechselnde Schichten, größere Abstände, mehr Waschmöglichkeiten. In Betrieben ohne Betriebsrat sieht es meist deutlich schlechter mit dem Schutz vor dem Corona-Virus aus.“