Die Infektionszahlen sind dramatisch, die Kurven schnellen nach oben – und zeigen leider nur allzu deutlich: Trotz vorhandener Impfstoffe, trotz millionenfacher Impfung in den vergangenen Monaten ist ein Ende der Corona-Krise nicht abzusehen. Im Gegenteil: Die Anforderungen an das Einhalten von Mindestabständen, die Reduzierung von persönlichen Kontakten, die Nutzung von Gesichtsmasken sowie die vermehrte Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice verändern die Arbeitsbedingungen in vielen Bereichen tiefgreifend. Das aber hat direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Beschäftigten. Der DGB-Index Gute Arbeit Report 2021 zeigt das klar und deutlich.
Zentrale Befunde der repräsentativen Befragung von 6400 Beschäftigten zeigen sich in mindestens zweifacher Hinsicht: Zum einen fühlen sich viele Kolleginnen und Kollegen (24 Prozent) bei der Arbeit nicht gut vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt. Dies gilt jedoch nicht pauschal und prinzipiell: Immer dann, das zeigt die Befragung deutlich, wenn eine Gefährdungsbeurteilung zur Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz durchgeführt wurde, wurden auch häufiger betriebliche Schutzmaßnahmen ergriffen – und diese wurden dann auch besser bewertet. Die Beschäftigten fühlten sich durch sie besser geschützt.
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall betont: „Der Arbeitsschutz hat in der Corona-Krise unter Beweis gestellt, dass seine Instrumente wirksam sind. Und die Betriebsräte haben vielfach ihre Mitbestimmungsrechte genutzt, um das zentrale Instrument der Gefährdungsbeurteilung aktiv voranzubringen. Gerade in der jetzigen, sich wieder verschärfenden Situation ist es wichtig, auf diesem Weg das Schutzniveau in den Betrieben auf hohem Niveau zu halten.“
Deutlich wird durch die repräsentative DGB-Studie andererseits, dass Corona zu einem rasanten Digitalisierungsschub geführt hat: Knapp die Hälfte der Befragten berichtet von der Einführung neuer Software beziehungsweise von Apps, die drei Viertel von ihnen auf die Umstände der Pandemie zurückführen. 41 Prozent der Befragten haben im Befragungszeitrum zumindest gelegentlich im Homeoffice gearbeitet. Digitale Arbeit aber, auch das zeigen die Zahlen klar, geht oft mit einer hohen Arbeitsbelastung einher: Ein Drittel der Befragten mit Homeoffice gaben an, durch die Arbeit zu Hause stärker belastet zu sein.
„Die Ergebnisse des DGB-Index Gute Arbeit 2021 zeigen: Ob das Arbeiten von zuhause den Beschäftigten tatsächlich die erhoffte Entlastung bringt, hängt maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung ab. Ohne verbriefte Arbeitsschutzstandards und Mitbestimmung drohen den Beschäftigten noch mehr Belastungen durch Entgrenzung der Arbeit und schlecht gestaltete Bildschirmarbeit“, so Hans-Jürgen Urban. „Der Gesetzgeber muss einen Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten einführen und dafür sorgen, dass Homeoffice nicht zur arbeitsschutzfreien Zone wird.“
Im Ganzen ermöglichen die Ergebnisse des DGB-Reports einen fundierten Ausblick auf künftige Gestaltungsbedarfe. Denn die während der Pandemie eingeführten digitalen Arbeitsmittel werden auch nach der Pandemie genutzt werden - im Betrieb, etwa in Bereichen der digitalen Fernwartung und bei der fortschreitenden Vernetzung von Arbeitsorten und –prozessen, wie auch im Homeoffice. Betrieblicher Infektionsschutz bleibt gleichwohl auch weiterhin elementar. Gerade auf diesem Gebiet aber, das zeigen die Befragungsergebnisse, ist noch viel zu tun.
Zwar wurden Arbeitgeber mit der Corona-Arbeitsschutzverordnung dazu verpflichtet, umfassende betriebliche Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor einer Coronainfektion zu ergreifen. Die überwiegende Mehrheit der befragten Kolleginnen und Kollegen berichtete auch von umgesetzten Schutzmaßnahmen. Allerdings: Jeder fünfte Befragte bewertete die ergriffenen Maßnahmen als unzureichend. Und: Weniger als die Hälfte der Befragten berichtete davon, dass eine Gefährdungsbeurteilung zur Verringerung des Infektionsrisikos an ihrem Arbeitsplatz durchgeführt wurde.
Immer dort allerdings, wo Gefährdungsbeurteilungen stattfanden, fühlten sich die Beschäftigten besser geschützt. Es zeigen sich hier deutliche Unterschiede in den Einschätzungen der befragten Kolleginnen und Kollegen: Wenn es eine Gefährdungsbeurteilung gab, dann wurden häufiger Infektionsschutzmaßnahmen ergriffen (92 im Vergleich zu 76 Prozent). Die Maßnahmen wurden zudem häufiger als ausreichend bewertet (87 im Gegensatz zu 77 Prozent). Die Beschäftigten fühlten sich dadurch besser geschützt (81 gegenüber 71 Prozent).
In vielen Betrieben erfolgte eine Umstellung der inner- und außerbetrieblichen Kontakte auf digitale Mittel. Damit war und ist jedoch nicht automatisch eine Arbeitsentlastung verbunden. Im Gegenteil: Die Digitalisierung inner- und außerbetrieblicher Kontakte bedeutete für jeweils ein Drittel der Betroffenen eine größere Arbeitsbelastung.
Eine weitere Belastungsquelle: Die Einführung digitaler Arbeitsmittel während der Pandemie fand für ein Viertel der Beschäftigten ohne angemessene Schulung statt. Fast ein Drittel berichtet darüber hinaus von fehlender oder nur geringer Unterstützung bei technischen Problemen. Eine Erleichterung der Arbeit durch die häufig neue digitale Kommunikation, dürfte hier nur schwer möglich gewesen sein.
Und auch die Arbeit im Homeoffice bedeutet nicht prinzipiell und automatisch eine Entlastung der Beschäftigten. Im Gegenteil: Ein Drittel der Befragten, die im Homeoffice arbeiteten, sah sich bei der Arbeit eher stärker belastet. Besonders ausgeprägt war die Mehrbelastung immer dann, wenn die Wohnung nicht geeignet war, es keine Schulung für neue Software gab oder die technische Unterstützung fehlte.
Die Befragungsergebnisse zeigen klar: Dort, wo es Regeln zum Homeoffice gab, dort hatten die Kolleginnen und Kollegen auch einen größeren Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung. Entgrenzung, ständige Erreichbarkeit und unbezahlte Arbeit traten bei ihnen seltener auf. Weiterhin zeigte sich: Wenn betriebliche Regelungen vorhanden waren, war der Einfluss der Beschäftigten auf die Gestaltung ihrer Arbeitszeit deutlich stärker ausgeprägt. Ohne betriebliche Vereinbarungen war der Anteil der Beschäftigten mit Wochenendarbeit mehr als doppelt so hoch. Und auch der Anteil der Beschäftigten, die für den Arbeitgeber außerhalb der Arbeitszeit erreichbar sein mussten und unbezahlte Arbeit für den Betrieb leisteten, war deutlich höher.
Die Ergebnisse der Befragung beleuchten an diesem Punkt noch eine weitere, zusätzliche elementare Dimension, die direkte Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten hat: 14 Prozent der Befragten, die im Homeoffice gearbeitet haben, berichten davon, dass ihr Betrieb aufgrund der vermehrten Nutzung von Homeoffice plant, die Büroflächen zu verkleinern; besonders ausgeprägt bei Beschäftigten in Großbetrieben (28 Prozent geben dies an). Homeoffice aber darf nicht als Sparinstrument zu Lasten der Beschäftigten eingesetzt werden. Vielmehr braucht es hier klare Regeln für gute Arbeitsbedingungen im Büro wie auch im Homeoffice – während und nach der Pandemie.
DGB-Index Gute Arbeit 2021 (PDF, 24 Seiten)