Immer mehr in der gleichen Zeit: Stress, Druck und stetige Arbeitsverdichtung gehören für viele Beschäftigten zum Arbeitsalltag. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Befragung zum DGB-Index Gute Arbeit 2019. Für die Studie haben insgesamt 6574 Beschäftigte Auskunft über ihre Arbeitsbedingungen und ihren Gesundheitszustand gegeben. Die Befragung zeigt: Gesundheitliche Belastungen sind in den Unternehmen weit verbreitet. Arbeitsverdichtung und Überlastung durch Personalmangel kennzeichnen für viele Beschäftigte den Arbeitsalltag. „Gerade im Zuge der Digitalisierung und der Transformation der Arbeit nehmen psychische Belastungen weiter zu. Gleichzeitig verharren die körperlichen Arbeitsbelastungen vieler Beschäftigter auf hohem Niveau“, sagt Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. „Die IG Metall wird daher weiterhin auf eine Anti-Stress-Verordnung drängen und sich mit der Initiative ‚Runter mit der Last‘ dafür einsetzen, körperlichen Gesundheitsgefahren entgegen zu wirken.“
So hat beispielsweise mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) den Eindruck, dass sie in den letzten 12 Monaten mehr Arbeit in der gleichen Zeit schaffen mussten. Interessant hierbei: Beschäftigte, die in hohem Maß mit digitalen Arbeitsmitteln arbeiten, nehmen häufiger eine Verdichtung wahr (37 Prozent) als Beschäftigte, die ihre Arbeit als gar nicht oder nur in geringem Maße digitalisiert beschreiben (hier sind es lediglich 29 Prozent).
Die Auswertung des DGB-Index Gute Arbeit dokumentiert zudem den engen Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen auf der einen – und dem Gesundheitszustand der Beschäftigten auf der anderen Seite. Die Ergebnisse der Befragung machen deutlich, dass steigender Arbeitsdruck für die Beschäftigten überproportional mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden ist. Wer bei seiner Arbeit in (sehr) hohem Maß eine Verdichtung erlebt, berichtet deutlich häufiger von Erschöpfungszuständen als Beschäftigte, die gar nicht oder nur in geringem Maß mehr Arbeit in der gleichen Zeit leisten müssen. Das gilt für körperliche wie für emotionale Erschöpfung. Weiterhin konnte die Befragung zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitsverdichtung und Rückenschmerzen stark ausgeprägt ist: Mehr als die Hälfte der Befragten mit Arbeitsverdichtung (54 Prozent) leiden sehr häufig oder oft an darunter. Liegt keine Arbeitsverdichtung vor, beträgt der Anteil 38 Prozent.
Arbeitsstress entsteht häufig dadurch, dass für eine Aufgabe zu wenig Personal vorhanden ist. Genau diese Situation kennen die meisten Beschäftigten: Mehr als 80 Prozent der Befragten sind mit Mehrbelastung aufgrund von Personalknappheit konfrontiert. Bei 38 Prozent der Befragten tritt diese Situation sehr häufig oder oft auf. Bei 44 Prozent ist es selten der Fall. Lediglich 18 Prozent der Kolleginnen und Kollegen sind davon niemals betroffen.
Wenn Personalknappheit zur Regel wird, hat das negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand von Kolleginnen und Kollegen. Die Befragung konnte zeigen: Dort, wo Mehrbelastung aufgrund von Personalmangel häufiger auftritt, bewerten Beschäftigte ihren Gesundheitszustand schlechter.
Ein sehr deutlicher Zusammenhang zeigt sich hierbei zwischen Personalmangel und körperlicher sowie emotionaler Erschöpfung. Der Anteil derjenigen, die häufig erschöpft sind, ist jeweils mehr als doppelt so hoch, wenn Personalknappheit zu Mehrarbeit führt. Bei körperlicher Erschöpfung betrifft das in dieser Gruppe jeden zweiten Beschäftigten (50 Prozent gegenüber 23 Prozent in der Vergleichsgruppe).
Stärkere Belastungen aufgrund von Personalknappheit gehen darüber hinaus mit häufigeren Rückenschmerzen einher. In der Gruppe der Beschäftigten mit personalbedingter Mehrbelastung geben über die Hälfte an, von Rückenschmerzen betroffen zu sein, in der Gruppe die nicht von Personalmangel betroffen sind, sind es hingegen 36 Prozent.
Schließlich zeigt die Studie ganz klar: Stress, Druck, Arbeitsbelastung sind bei weitem nicht die einzigen Belastungen, die auf Beschäftigte in den Betrieben einwirken. In der modernen Arbeitswelt, die von fortschreitender Digitalisierung geprägt ist, wird weiterhin körperlich schwere Arbeit geleistet. Für nahezu jeden dritten Beschäftigte ist schweres Heben, Tragen oder Stemmen Teil der täglichen Arbeit.
Wer körperlich schwer arbeitet, der leidet deutlich häufiger an Rücken- sowie Gelenk- und Gliederschmerzen. In der Gruppe der körperlich schwer Arbeitenden berichtet mehr als jeder zweite Befragte (exakt 56 Prozent) von (sehr) häufigen Rückenschmerzen. Bei Kolleginnen und Kollegen, die nicht körperlich schwer arbeiten müssen, liegt der Wert hingegen bei 38 Prozent.
Noch deutlicher sind die Unterschiede bei sonstigen Gelenk- oder Gliederschmerzen. Von den Beschäftigten mit häufiger körperlich schwerer Arbeit ist fast die Hälfte betroffen, nämlich 46 Prozent. In der Gruppe der körperlich weniger Belasteten ist dagegen nur jeder fünfte Beschäftigter betroffen.
Die Ergebnisse der Sonderauswertung zeigen die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Belastungsfaktoren bei der Arbeit und dem Gesundheitszustand deutlich auf. Die Ergebnisse betonen somit die Bedeutung einer Gefährdungsbeurteilung im Betrieb, die alle Belastungen für die Beschäftigten in den Blick nimmt und Maßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung fordert. „Die Gefährdungsbeurteilung ist das Instrument für die Gesundheitsprävention im Betrieb. Sie bietet dem Betriebsrat die Möglichkeit die Belastungen zu identifizieren und sich für besser Arbeitsbedingungen im Betrieb einzusetzen“, sagt Hans-Jürgen Urban.
Der Arbeitgeber ist zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet und der Betriebsrat hat dabei ein Mitbestimmungsrecht.