Bosch will sein Elektronik-Werk im thüringischen Arnstadt schließen, obwohl laut einem Tarifvertrag mit der IG Metall Standort und Beschäftigung bis Ende 2022 gesichert sind.
Zudem sieht der Tarifvertrag vor, dass zuvor alle Möglichkeiten ausgeschöpft und Alternativen gesucht werden müssen. Doch statt über Alternativen für die Zukunft zu verhandeln, will Bosch den Tarifvertrag einfach umgehen – und hat den 103 Beschäftigten jetzt verkündet, dass sie ab 1. Dezember bezahlt freigestellt sind. Ohne Arbeit.
Die Verträge mit den Kundenbetrieben hat Bosch bereits gekündigt - am Betriebsrat vorbei. Allerdings: Ein Gerichtsverfahren dagegen würde sich über Jahre ziehen – Zeit, die die Boschlerinnen und Boschler in Arnstadt nicht haben.
„Bosch pfeift auf die gesetzliche Mitbestimmung und entsorgt die Mannschaft einfach in die Abstellkammer, um sie psychisch mürbe zu machen“, kritisiert Kirsten Joachim Breuer von der IG Metall Erfurt. „Doch diesen Tod auf Raten lassen sich die Beschäftigten nicht bieten. In der Betriebsversammlung sind viele aufgestanden und haben der Geschäftsleitung klar gesagt: Wir sind Boschler, wir wollen hier arbeiten.“
74 der 103 Beschäftigten haben nun mithilfe der IG Metall ihren im Arbeitsvertrag festgeschriebenen Anspruch auf Beschäftigung geltend gemacht.
Zugleich arbeiten Betriebsrat und IG Metall gemeinsam mit Anwälten und Wirtschaftsexperten des Info-Instituts an Alternativkonzepten zur Fortführung des Standorts.
Ideen dazu liegen lange auf dem Tisch: So wie im Standortsicherungs-Tarifvertrag vereinbart, haben Betriebsrat und IG Metall neue Produkte vorgeschlagen - und neue Geschäftsmodelle, etwa Service für Sensorensysteme, inklusive Qualifizierungsprogrammen mit öffentlicher Förderung. Doch die Bosch-Werkleitung wischte alle Vorschläge beiseite.
„Wir haben immer gesagt: Wir wollen sprechen. Und die sagten: Nö“, ärgert sich der Betriebsratsvorsitzende Andy Poplawski. „Die haben die letzten sieben Jahre nichts gemacht, nur Management-Fehler. Es kann nicht sein, dass das jetzt schon wieder auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen wird.“
Wie viele andere Beschäftigte hier macht Andy Poplawski das jetzt schon zum dritten Mal mit. Erst erlebte er 2012 die Schließung der Bosch-Solarfertigung in Erfurt – und 2014 dann die Schließung der verbliebenen Solarproduktion in Arnsberg, mit damals 1800 Beschäftigten, bei der er bereits als Betriebsrat mitverhandelt hat – und die Ansiedlung von Spannungsreglern für Lichtmaschinen erreichte. Die IG Metall vereinbarte damals die Standortsicherung bis Ende 2022, mit Suche nach neuen Produkten und Geschäftsmodellen. Doch auch daran will sich Bosch jetzt nicht halten.
„Es geht immer nach dem selben Muster“, meint Poplawski. „In Erfurt hab ich mir an den Kopf gefasst, dann die Riesenschließung bei Solar in Arnstadt. Jetzt denke ich: Seid Ihr wirklich die richtigen Manager da oben?“
Beschäftigte und IG Metall nehmen den Bruch ihres Tarifvertrages und der Gesetze nicht widerstandslos hin. Sie arbeiten seit Wochen an Strategien und Aktionen. „Wer Streit haben will, kann ihn gerne haben“, macht Kirsten Joachim Breuer von der IG Metall Erfurt klar. „Wir sind bereit.“
Und sie sind nicht allein: Die Beschäftigten der anderen Betriebe in Arnstadt stehen hinter ihnen.
Auch bei Bosch sind sie nicht allein: Die Beschäftigten und Betriebsräte der anderen Standorte stehen hinter ihnen.
Arnstadt ist nicht der einzige Fall bei Bosch: Auch in Bühl/Baden und München will Bosch abbauen und verlagern. In Bühl sind 1000 Arbeitsplätze von Verlagerung an Billigstandorte bedroht, viele davon auch in der Entwicklung. In München will Bosch die Produktion von Kraftstoffpumpen und -ventilen verlagern und das Werk mit 265 Beschäftigten schließen.
Das lassen sich Beschäftigte, Betriebsräte und IG Metall nicht bieten. Am Freitag demonstrieren die Beschäftigten aller drei bedrohten Bosch-Standorte in Arnstadt, Bühl und München ab 11 Uhr vormittags für ihre Zukunft. Boschlerinnen und Boschler der anderen Standorte kommen zu ihnen, um sie unterstützen, am gemeinsamen Bosch-Solidaritätstag.