Das Mercedes-Werk Rastatt übernimmt 398 Leihbeschäftigte in feste, unbefristete Verträge.
Das sah vor einer Woche noch ganz anders aus. 600 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sollten gehen. Ihre Leiharbeitsfirma teilte ihnen per E-Mail mit, dass Ihr Einsatz im Mercedes-Werk zum 1. Oktober endet. Weil Halbleiter-Chips fehlen, gebe es zu wenig Arbeit.
Betriebsrat, Beschäftigte und IG Metall liefen Sturm. Sie machten Druck mit Aktionen und über die Medien, mit Abteilungsversammlungen, Flugblattverteilungen und einer Pressekonferenz vor dem Werkstor – bis die Werkleitung schließlich in Verhandlungen einlenkte.
Die 398 Leihbeschäftigten, die fest übernommen werden, sind oft schon Jahre bei Mercedes in Rastatt. Die übrigen rund 200 Leihbeschäftigten sind erst seit kurzem da und wurden überwiegend zur Abdeckung der Urlaubszeit im Sommer eingestellt. Das Verhandlungsergebnis sieht vor, dass sie priorisiert wieder eingestellt werden, sobald die Produktion wieder anzieht.
Was den Betriebsrat besonders geärgert hat: Die Werkleitung hat die Abmeldung der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ohne Absprache mit dem Betriebsrat angekündigt. Dabei versuchte die Werkleitung wohl, eine Vereinbarung zu umgehen, die demnächst Übernahmen vorsah.
Die Betriebsräte bei Mercedes haben nämlich ausgehandelt, dass die gesetzliche Höchstüberlassungsdauer für Leihbeschäftigte von 18 Monaten auf bis zu 48 Monate verlängert wird, gegen mehr Geld und die anschließende Übernahme. Das ermöglicht auch der Tarifvertrag zur Leiharbeit der IG Metall.
Bei Mercedes erhalten Leihbeschäftigte ab dem ersten Einsatztag das gleiche Grundentgelt wie frisch ausgebildete Festbeschäftigte – fast 22 Euro in der Stunde. Und anders als das Gesetz, das es Arbeitgebern erlaubt, die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter nach 18 Monaten einfach gegen andere auszutauschen statt zu übernehmen, schließt die Betriebsvereinbarung bei Mercedes in Rastatt diesen „Drehtüreffekt“ aus. Das heißt: nach 48 Monaten kein Austausch – sondern Übernahme.
Tatsächlich haben längst nicht alle 398 Leihbeschäftigte in Rastatt die 48 Monate Einsatzdauer erreicht. Dennoch konnte der Betriebsrat letzte Woche mit dem Druck der Belegschaft vorzeitig ihre Übernahme durchsetzen. Die Übernahmen in feste Verträge erfolgen ab Februar 2022.
„Damit kommt das Unternehmen endlich der Forderung des Betriebsrates und somit auch seiner sozialen Verantwortung nach“, erklärt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Torsten Höink. Ausdrücklich bedankt er sich beim Rastatter Betriebsratsgremium, dem Daimler-Gesamtbetriebsrat, den Vertrauensleuten der IG Metall im Werk, der IG Metall und der Politik für die Unterstützung.
IG Metall-Vertrauensleute bei Mercedes in Rastatt verteilen Flugblätter. (Foto: IG Metall)
„Der gemeinsame Kampf von der Belegschaft, des Gesamtbetriebsrates und der IG Metall gegen die einseitige Entscheidung der Geschäftsleitung hat sich gelohnt“, meint Matthias Bressler-Bieth, Betriebsrat und Mitglied der Verhandlungskommission. „Das Ergebnis stellt zumindest den sozialen Frieden wieder her, obwohl er mit Sicherheit Spuren hinterlassen wird. Das Ergebnis von 398 Festeinstellung der Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern lässt sich als Betriebsrat gut vertreten.“
„Der Rastatter Betriebsrat hat richtig gehandelt und ein tolles Ergebnis erzielt – hierzu kann ich nur gratulieren“, erklärt Bodo Seiler von der IG Metall Gaggenau, der den Betriebsrat und die IG Metall-Mitglieder im Mercedes-Werk berät. „Wir werden den nun anstehenden Prozess als IG Metall eng begleiten.“
Auch der Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, der das Mercedes-Werk Rastatt früher selbst als Gewerkschaftssekretär der IG Metall Gaggenau betreut hat, gratuliert: „Das entschlossene Handeln des Betriebsrates und eine gut organisierte Belegschaft, haben dieses Ergebnis erst möglich gemacht.“