Die Gewerkschaften atmen auf: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erklärt, dass die deutsche Unternehmensmitbestimmung mit dem EU-Recht vereinbar ist. Wäre der Kläger, ein Kleinaktionär des Touristikkonzerns TUI, mit seiner Klage durchgekommen, würden die Vertreter der Arbeitnehmer aus den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen entfernt. Dann hätten allein die Vertreter der Kapitalseite das Sagen.
Der Kläger hatte seine Klage damit begründet, dass das deutsche Mitbestimmungsgesetz ausländische Beschäftigte deutscher Konzerne ausschließe. Dies widerspreche der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU, da Beschäftigte bei einem Umzug ins europäische Ausland ihr aktives und passives Wahlrecht bei Aufsichtsratswahlen verlieren.
Der EuGH sah das anders. Das Recht auf Freizügigkeit in der EU garantiere einem Arbeitnehmer nicht, dass ein Umzug „in sozialer Hinsicht neutral“ sei. Er könne im neuen Land nicht dieselben Arbeitsbedingungen verlangen wie im Herkunftsland. Beispielsweise kann ein deutscher Arbeitnehmer bei einem Umzug nach Rumänien nicht verlangen, dass für ihn dann dort der deutsche Kündigungsschutz und der deutsche Mindestlohn gelten.
Damit stellte der EuGH auch grundsätzlich klar, dass die Mitbestimmung zum Arbeitsrecht gehört.
„Wir sind sehr erleichtert über dieses Urteil“, erklärt Rudolf Luz, Leiter des Bereichs Betriebspolitik und Mitbestimmung der IG Metall. „Vor einem halben Jahr war das noch keineswegs so sicher. Wenn der EuGH gegen die deutsche Unternehmensbestimmung entschieden hätte, dann hätten wir bald keine Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten mehr. Jetzt jedoch hat der EuGH die Mitbestimmung sogar gestärkt.“