Drei Monate lang haben sich die Vorwerk-Beschäftigten nach Feierabend im Wuppertaler Brauhaus getroffen. Dort brauten sie Argumente und Ideen zusammen. Sechzehnmal verhandelte der Betriebsrat mit dem Vorstand. Das Ergebnis: Von den 63 bedrohten Service-Centern wurden nur elf geschlossen. Ein ...
... Expansionsplan sieht 50 neue Shops vor. Ein klarer Fall für den Betriebsrätepreis.
Irgendwann musste der Vorwerk-Vorstand nachgeben und einsehen: Seine Beschäftigten hatten einfach die besseren Argumente und Ideen. Sie hielten ihm und dem Vertrieb den Spiegel vors Gesicht und zeigten, was alles möglich ist, wenn ein Managementjob gut gemacht wird.
Die Konfrontation
Im Jahr 2010 sind die Verkaufszahlen der Staubsauger stark zurückgegangen. Die wirtschaftliche Lage sieht für Vorwerk Deutschland alles andere als rosig aus. „Da konfrontierte uns der Arbeitgeber mit einem Sozialplan“, erzählt die Betriebsratsvorsitzende Heidrun Schenk. Der Vorstand will unter anderem 63 Shops und Werkstätten schließen, 74 Mitarbeiter entlassen. Für Vorwerk arbeiten insgesamt 720 Beschäftigte, davon rund 300 in Wuppertal und 420 an verschiedenen deutschen Standorten.
„Wir sagten: Nur über unsere Leiche akzeptieren wir diese Maßnahme“, ist Heidrun entschlossen. „Mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, kämpfen wir um die Standorte und die Arbeitsplätze.“ Gesagt – getan.
Aktiventreffen: Da braut sich was zusammen
Mittwochs nach Feierabend laden der Betriebsrat und die IG Metall zu Aktiventreffen ins Wuppertaler Brauhaus ein. Beim ersten Mal kommen 25 Leute, beim zweiten Treffen bereits 60 und beim dritten Mal müssen 85 Kolleginnen und Kollegen im Brauhaus Stühle rücken. „Dem Arbeitgeber war die ‚Völkerwanderung‘ unheimlich“, resümiert Heidrun. „Vorwerk liegt in der Wuppertaler Innenstadt auf dem Berg, das Brauhaus direkt darunter. Immer, wenn dort Aktiventreffen war, schauten die Vorstände und Führungskräfte aus dem Fenster und beobachteten, wie die Mitarbeiter ins Brauhaus strömten. Die dachten: Da braut sich was zusammen! Aber was?“
Heidrun informiert regelmäßig über die Treffen per E-Mail, wie viele da waren und wie aktiv die Leute dort arbeiteten. Das imponiert den Arbeitgeber und erzeugt eine Menge Druck. Drei Monate lang treffen sich die Vorwerk-Beschäftigten im Brauhaus, sammeln Argumente und schmieden Pläne. Daraus entsteht die Idee, von den Shops und Standorten Infos zu sammeln und Fotos zu machen. Die präsentiert der Betriebsrat dem Vorstand in der Betriebsversammlung. Das Resultat ist für Vorwerk blamabel: Ziemlich lieblos, versteckt und ohne Schaufenster fristen die Shops und Werkstätten in Hinterhöfen und oberen Etagen ein trübes Dasein. Wer fühlt sich da schon eingeladen, einen Kobold zu kaufen?
Die Belegschaft liefert ihren Chefs auch gleich ihre Vorschläge mit, wie es besser laufen kann: Zum Beispiel Umzüge der Shops in bessere Lagen wie Fußgängerzonen, Zusammenschlüsse mit anderen Firmen wie etwa der Post, Verkauf von zusätzlichen Geräten, längere Öffnungszeiten und natürlich alle Shops mit dekorativen Schaufenster.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen
Nach elf Monaten und 16 Verhandlungen lenkt der Arbeitgeber endlich ein. Er vereinbart mit dem Betriebsrat und der IG Metall, in Inneneinrichtungen und Umzüge zu investieren. Jeder Shop erhält die Chance, nach zwölf Monaten wirtschaftlich zu werden. 13 Monate sind jetzt um und Vorwerk hat seit dem nicht einen Standort geschlossen. Bisher sind 20 Shops umgezogen, weitere Umzüge folgen, sobald bessere Standorte gefunden sind. Zusätzlich hat Vorwerk neun neue Shops eröffnet. Nur vier Standorte sind noch unwirtschaftlich. Mit den anderen Shops – auch mit denen, die das Unternehmen schließen wollte – macht Vorwerk Gewinn.
Der Betriebsrat hat außerdem mit dem Arbeitgeber eine Umsatzprämie von 1,5 Prozent vereinbart sowie eine Fahrgeldregelung für Springer. Mit der Umsatzprämie verdienen Vollzeitkräfte monatlich bis zu 650 Euro mehr, wenn sie gut verkaufen und viel reparieren.
Darüber hinaus hat das Unternehmen einen Expansionsplan erstellt: Bis 2014 will Vorwerk weitere 50 Shops und Shop-in-Shops in 1A- und 1B-Lagen in Großstädten eröffnen. Die bringen noch mal 70 bis 150 zusätzliche Arbeitsplätze.
Nur durch das Engagement des Betriebsrats und der Belegschaft war dieser Erfolg möglich. Das erkennen auch die Führungskräfte an und sind dem Betriebsrat dankbar dafür.