Die Bilanz von Miguel López ist schlecht. Seit seinem Amtsantritt im Juni letzten Jahres hat sich der Aktienwert des Unternehmens mehr als halbiert. Zudem agiert López verantwortungslos und hat nach einer wochenlangen Kampagne die Rücktritte von drei Vorständen im Stahlbereich zu verantworten. Mangelhaft ist so die Zeugnisnote, die ihm Beschäftigte und Aktionäre des Konzerns geben. Besonders in Fach "Stahl" ist es die Note 6. Seit einem Jahr ist der Manager CEO der Thyssenkrupp AG und damit letztendlich auch verantwortlich für die Konzerntochter Thyssenkrupp Steel. Seine Aufgabe ist, der Stahlsparte die Transformation zu ermöglichen. Dabei war der Anfang bereits gemacht: Beschäftigte, Betriebsrat und IG Metall erkämpften den Förderbescheid über 2 Milliarden Euro von Bund und Land, um den nötigen Umbau hin zu einer klimafreundlichen Produktion zu starten. Doch, statt diesen Weg weiterzugehen, riskiert López die Zukunft der Stahltochter.
Statt der Stahlsparte beim Umbau zu helfen, will López dort Stellen abbauen. Der scheidende Stahl-Vorstand Bernhard Osburg hatte bereits die Absenkung des sogenannten Betriebspunktes von 11 Millionen Tonnen auf 9,5 Millionen Tonnen pro Jahr eingeräumt, doch López war das zu wenig. Er fordert einen noch tieferen Einschnitt, was zu noch mehr Personalabbau führen würde, ganze Standorte gefährdet und damit einem Kahlschlag gleichkäme. Das wollen IG Metall und Beschäftigte nicht zulassen.
Verantwortung übernehmen will López nicht, er will sie abgeben. Lopez verkaufte bereits 20 Prozent der Stahlsparte an den Milliardär Daniel Kretinsky, mit der Aussicht, dass dieser langfristig die Hälfte des Unternehmens übernehmen soll. López will Stahl kleinschrumpfen und billig loswerden, geht dabei skrupellos vor und gefährdet die Arbeitsplätze tausender Beschäftigter. Eine konstruktive Zusammenarbeit ist mit dem Manager unmöglich, das zeigte die letzte Aufsichtsratssitzung von Thyssenkrupp Steel, bei der eigentlich eine Vereinbarung über die Finanzierung der Stahlsparte geschlossen werden sollte. Ihr Ergebnis: Vier Aufsichtsratsmitglieder warfen hin, drei Stahlvorstände wurden abgelöst. Der Bundestagsabgeordnete aus Duisburg, Felix Banaszak, fragt daher auf der Online-Plattform LinkedIn: „Hat der Thyssenkrupp-Konzern eigentlich eine industrielle Strategie über die blanke Zerstörungswut hinaus?“ Der Politiker fordert: „Der Bund und das Land NRW haben mit der Förderzusage über zwei Milliarden Euro ihren Teil beigetragen. Jetzt muss der Mutterkonzern alle Zweifel ausräumen und unmissverständlich klarmachen, dass er hinter der Transformation des Standortes zur Klimaneutralität steht und die nötigen Investitionen sichert.“
Einen meilenweiten Rückschritt sieht Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Thyssenkrupp AG, in der Ablösung der drei erfahrenen Stahlvorstände, die López zu verantworten hat. Kerner betont: „Mit diesen Personalentscheidungen wird vom Stillstand bei den eigentlichen Problemen abgelenkt. Das ist unternehmensschädigend.“
Der Zweite Vorsitzende der IG Metall fordert daher: „Was wir jetzt dringend bräuchten, ist Ruhe, Kontinuität und ein erfahrenes Management, das sich mit höchster Konzentration den immensen Herausforderungen widmet. Was wir stattdessen haben, ist maximales Chaos: Der erfahrene Stahlvorstand in einer kopflosen Aktion aus dem Unternehmen gedrängt, der Stahl-Aufsichtsrat düpiert, die Politik hoch nervös. Der Wert des Unternehmens unter Herrn Lopez hat sich halbiert. Zehntausende Mitarbeiter sind zutiefst verunsichert.“
Ebenfalls eine Lücke hinterlassen die Aufsichtsratsmitglieder, die ihre Mandate niederlegten. Die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, zeigt sich insbesondere besorgt über die Niederlegung der Aufsichtsratsmandate durch Sigmar Gabriel und Elke Eller mit der Begründung, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand der thyssenkrupp AG sei nicht mehr möglich. So will Benner nun die Politik an Bord holen: „Wir fordern die Bundesregierung und die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen auf, die beiden freiwerdenden Aufsichtsratsmandate für Land und Bund zu beanspruchen.“ Dies sei nötig, um eine transparente und faire Lastenteilung zwischen der thyssenkrupp Steel Europe AG und dem Mutterkonzern, der thyssenkrupp AG, sicherzustellen. Die Erste Vorsitzende der IG Metall betont: „Die anstehende Restrukturierung, die geplante Verselbstständigung sowie die grüne Transformation dürfen nicht zu Lasten der 27.000 Beschäftigten im Stahlbereich durchgeführt werden.“
Ruhe, Kontinuität und erfahrenes Management, wie es der Zweite Vorsitzende der IG Metall fordert, wünschen sich auch die Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel. Doch in López sehen sie diese Attribute nicht. Der Betriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel, Ali Güzel, verdeutlicht: „Die Lage ist dramatisch wie nie. Uns droht eine Halbierung der Hütte. Die Ironie ist: Jeder einzelne kann von den Folgen von López’ Brechstangenpolitik betroffen sein, aber stoppen können wir ihn nur gemeinsam.“
Die Beschäftigten wollen kämpfen und nicht warten, bis López auch ihre Arbeitsplätze rasiert. „López ist nicht unser CEO“ sagen sie und verlangen in einer Petition seinen Rücktritt. Fast 2000 haben diese bereits online unterschrieben. In den über 800 Kommentaren steht „López hat genug Porzellan zerschlagen, es ist Zeit, dass er geht“, „López hat keine Ahnung von Stahl“ und: „Es geht um Arbeitsplätze. Es geht um die Region, das lassen wir von López nicht kaputt machen.“
Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, ruft López zur Räson auf: „Wer die Mitbestimmung zurückzudrängen versucht, muss mit dem erbitterten Widerstand der IG Metall rechnen. Ein Unternehmen kann nicht gegen die Beschäftigten geführt werden.“ Benner fordert den Vorstandsvorsitzenden Miguel López und den Aufsichtsratsvorsitzenden Siegfried Russwurm auf, wieder in den Dialog mit den Beschäftigten zu treten und Lösungen für den Stahl zusammen mit der Mitbestimmung, ihren Vertretern und Gremien zu entwickeln.