14. März 2022
Mobiles Arbeiten
Wie Siemens mobiles Arbeiten nach der Pandemie regelt
Während der Corona-Pandemie arbeiten viele Siemens-Beschäftigte aus dem Homeoffice. Und danach? Eine Vereinbarung ermöglicht es, auch nach der Pandemie freiwillig in größerem Umfang im Homeoffice zu arbeiten. Das Büro bleibt aber zentraler Ort der Arbeit.

Die Aussage kam überraschend, die Sätze waren gleichermaßen Angebot wie Aufforderung, aber das heißt nicht, dass danach alles wie von selbst gelaufen wäre. Im Gegenteil. „Roland Busch, unser CEO, hat in einem Interview gesagt, dass er sich gut vorstellen könne, auch nach der Pandemie den Siemens-Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, mobil zu arbeiten, er habe gesehen, dass das gut funktioniere. Das war Mitte 2020“, sagt Tobias Bäumler. „Wir hatten zwar schon vorher eine Vereinbarung“, so der stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende. „Allerdings hatte diese lediglich die Möglichkeit von 20 Prozent mobilem Arbeiten geregelt.“

Nun, nach dem Vorstoß des Siemens-Chefs, hatte der Betriebsrat einen Gestaltungsauftrag. Den haben sie aufgenommen. Und gemeinsam mit dem Arbeitgeber eine Regelung entwickelt, die den Siemens-Beschäftigten die Möglichkeit gibt, auch nach der Corona-Pandemie freiwillig in größerem Umfang im Homeoffice zu arbeiten. Und die gleichzeitig festschreibt, dass das Büro weiterhin der zentrale Ort der Arbeit ist.


Homeoffice nach Prinzip der Freiwilligkeit

„Es war uns wichtig in der Vereinbarung klarzustellen, dass es keinerlei Pflicht zum Homeoffice gibt“, sagt Tobias Bäumler. „Außerdem sollte durch sie kein Kostensparprogramm entstehen, die Regelung sollte vielmehr den Beschäftigten eine echte Wahlmöglichkeit geben und sie sollte zu mehr Selbstbestimmung beitragen.“ Mit der Gesamtbetriebsvereinbarung „MobileWorking im NewNormal“ ist das dem Siemens-Gesamtbetriebsrat gelungen.

Bis zur Unterzeichnung der Vereinbarung war es ein intensiver, manchmal kräftezehrender Weg. „Wir haben zuerst eine Projektgruppe ins Leben gerufen“, erzählt Tobias Bäumler. In der war auch die Konzernbetriebsratsvorsitzende vertreten, die Schwerbehindertenvertretung sowie Gesamtbetriebsrats-Kolleginnen und Kollegen der Niederlassungen, Werke und Stammhäuser. Zunächst wurden Gespräche mit dem Arbeitgeber eingeleitet und dessen Ideen zum neuen Normal vorgestellt.
 

Betriebsrat organisiert breite Beteiligung

Parallel dazu führten einzelne Betriebsräte Beschäftigten-Befragungen an ihren Standorten durch. „Die frühzeitige Beteiligung der Beschäftigten war sehr wichtig und hilfreich“, sagt Tobias Bäumler. „Die Projektgruppe erhielt auf diese Weise detaillierte Einblicke und Erkenntnisse darüber, was sich die Kolleginnen und Kollegen wünschen.“ Im Gesamtbetriebsrat stellte die Projektgruppe anschließend vor, welche Regelungen sich das Unternehmen zur Frage des mobilen Arbeitens vorstellt und fragte nach ergänzenden wichtigen Themen oder Alternativideen für die Verhandlungen.

Dafür nutzte die Projektgruppe auch die digitalen Medien, etwa digitale Pinnwände und Onlinemeetings, um so trotz Pandemie möglichst viele Meinungen, Ideen und Anregungen der Gesamtbetriebsratsmitglieder zu sammeln. „Mit all diesen Beteiligungsinstrumenten haben wir eine breite Basis für die Diskussion mit dem Arbeitgeber geschaffen und über die Befragungsresultate viele Ideen und Impulse der Beschäftigten bekommen.“ Im Juli 2020 wurde schließlich der Verhandlungsprozess gestartet, gut ein halbes Jahr später, im Februar 2021, waren die wichtigsten Fragen geklärt und war die Vereinbarung unterschrieben. 
 

Gemeinsame Absprachen treffen

„Freiwilligkeit und Flexibilität sind zentrale Aspekte der Vereinbarung“, sagt Tobias Bäumler. Dennoch haben sie einige konkrete Punkte festgeschrieben. So soll durchschnittlich an 2 bis 3 Tagen pro Woche im Homeoffice gearbeitet werden können, grundsätzlich jedoch nicht mehr als durchschnittlich 50 Prozent der regelmäßigen individuellen Arbeitszeit. Festgeschrieben ist außerdem, dass für alle Beschäftigten weiterhin ein Arbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung stehen muss. Mobiles Arbeiten ist und bleibt für beide Seiten immer freiwillig und kann jederzeit aufgegeben werden. „Die Beschäftigten sprechen dazu mit ihren Führungskräften und treffen eine Absprache. Die Führungskräfte treffen dann eine Entscheidung. Sie haben allerdings den Auftrag, allen Kolleginnen und Kollegen mobiles Arbeiten zu ermöglichen, wenn und sofern die Arbeitsinhalte dafür geeignet sind“, sagt Tobias Bäumler.

Die Gesamtbetriebsvereinbarung enthält aber auch noch einen wichtigen Arbeitsauftrag für das Siemens Management „Wir haben die Verpflichtung in die Vereinbarung formuliert, dass auch für Beschäftigte, die wegen ihrer Tätigkeiten nicht einfach mobil arbeiten können, Möglichkeiten der Flexibilisierung geschaffen werden müssen. Vorstellbar wäre beispielsweise mehr Eigenverantwortung bei der Schichtplanung oder Arbeitsschritte so zu organisieren, dass mobiles Arbeiten dann doch an einzelnen Tagen möglich wird.“ 
 

Erfahrungen sammeln und weiterentwickeln

Der 42-Jährige ist sich sicher, dass es Führungskräften aufgrund der Erfahrungen während der Corona-Pandemie schwerfallen wird, belastbare betriebliche Gründe zu finden, die mobiles Arbeiten nach der Pandemie nicht mehr zulassen. „Ich glaube, der eingeschlagene Weg kann nicht mehr verlassen werden. Wir werden ihn weitergehen, wir wollen jetzt gemeinsam Erfahrungen sammeln. Und wir werden nachsteuern, wenn und wo es nötig ist.“

Darauf können sich die Beschäftigten verlassen: Der Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeber haben vereinbart, dass sie ihre Vereinbarung evaluieren, dass sie, so es nötig ist, gemeinsam Knackpunkte angehen und nachsteuern, jeweils zum Quartalsende gibt es jetzt Gespräche, um dies zu prüfen. „Wenn die Vereinbarung nicht zur betrieblich gelebten Realität passt, dann muss sie angepasst werden“, sagt Tobias Bäumler. „Das ist für uns elementar.“


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