Die Zahlen sind besorgniserregend: Das Statistische Bundesamt hat kürzlich vermeldet, dass im Corona-Jahr 2020 nicht einmal eine halbe Million junge Menschen eine Ausbildung begonnen hatten – das ist der niedrigste Wert seit Aufzeichnung und ein Rückgang um 9,3 Prozent zum Vorjahr. Zum Vergleich: Vor der Finanzkrise 2008 waren es noch weit über 600 000 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge. Und der Trend setzt sich fort: Für das beginnende Ausbildungsjahr haben die Arbeitgeber nochmals 14 000 Lehrstellen weniger als im Krisenjahr 2020 angeboten, wie die Bundesagentur für Arbeit vermeldete.
Die Folgen liegen auf der Hand. „Fehlende Ausbildungsplätze heute bedeuten einen Mangel an Fachkräften in der Zukunft. Wir als IG Metall Jugend und DGB Jugend fordern daher eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie“, stellt Cosima Steltner klar. Sie vertritt die IG Metall Jugend im DGB-Bundesjugendausschuss, hat dort gemeinsam mit den Schwestergewerkschaften das Konzept entwickelt. „Schon lange vor Corona wurden immer weniger neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Damit muss Schluss sein – die Unternehmen müssen endlich mehr in die Verantwortung genommen werden, in dem sie sich über eine Umlagefinanzierung an einer bundesweiten Ausbildungsgarantie beteiligen.“
Eine Studie, die von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegeben wurde, hat kürzlich die Forderung nach einer Ausbildungsgarantie nochmals untermauert. Bis zu 20 000 Fachkräfte zusätzlich könnten so laut Studie jährlich auf den deutschen Arbeitsmarkt gelangen – mit positiven Folgen für Wirtschaft und Staat. Bruttoinlandsprodukt sowie Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben steigen langfristig, während die Arbeitslosigkeit sinken würde.
Absolventinnen und Absolventen einer Berufsausbildung profitieren laut Studie sowieso: Ihr Lebenseinkommen würde durch eine abgeschlossene Berufsausbildung um 580 000 Euro steigen im Vergleich zur Erwerbsbiographie ohne Berufsausbildung.
Eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie soll über drei Stufen funktionieren.
Die erste davon: Ein junger Mensch findet eine passende Ausbildung in einem Betrieb – der klassische und bevorzugte Weg, wenn es nach den Jugendverbänden der IG Metall und des DGB geht.
Zweite Stufe: Kleinere und mittlere Betriebe, die bislang aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht ausgebildet haben, sollen auf das Modell der Verbundsausbildung zurückgreifen können. Konkret kann das bedeuten, dass, wenn ein Betrieb beispielsweise nicht über bestimmte Maschinen verfügt, dieser seine Auszubildenden an außer- oder überbetriebliche Einrichtungen schicken kann, wo die nötigen Maschinen oder Ausbildungsmittel bereitstehen. Diese Einrichtungen sollen besonders gefördert werden. So entstehen weitere Anreize für Betriebe, Ausbildungsplätze anzubieten.
Dritte und letzte Stufe: Finden junge Menschen keinen passenden betrieblichen Ausbildungsplatz, haben sie die Möglichkeit, ihre Ausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung zu beginnen. Der Ausbildungsträger kooperiert mit Betrieben in der Umgebung, in denen die Auszubildenden Praxisphasen absolvieren. Zudem besuchen die Auszubildenden eine berufliche Schule, wo sie gemeinsam mit betrieblichen Auszubildenden lernen.
Ziel ist hierbei, die Auszubildenden so schnell wie möglich an einen Betrieb zu vermitteln, um dort ihre Ausbildung fortführen zu können. „Es gilt, Brüche in der Bildungsbiographie zu vermeiden und Perspektiven aufzuzeigen“, sagt Cosima Steltner. „Die Unsicherheit, die einige junge Menschen nach Abschluss ihrer schulischen Laufbahn spüren, kann sich durch ihr weiteres Leben ziehen. Umso wichtiger ist es, zunächst durch eine garantierte Ausbildung Halt zu geben.“
Klar ist: Eine Ausbildungsgarantie muss gut finanziert sein. Deshalb wollen die DGB-Jugendverbände, dass ein Zukunftsfonds eingerichtet wird, in den alle Unternehmen einzahlen. Die Betriebe, die ausbilden, erhalten eine finanzielle Förderung der Ausbildungskosten aus dem Fonds. Aus den weiteren eingezahlten Geldern wird die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert, also Kosten, die bei den außerbetrieblichen Trägern und deren Kooperationspartnern entstehen.
„Die Ausbildungsgarantie ist für uns nur in Verbindung mit einer Umlagefinanzierung über einen Zukunftsfonds vorstellbar“, betont Stefanie Holtz, Bundesjugendsekretärin der IG Metall. „Aus diesem Fonds soll die Ausbildung in kleineren und mittleren Unternehmen unterstützt werden. Die Umlagefinanzierung bietet den Betrieben einen zusätzlichen Anreiz, die Anzahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen.“
Über einen umlagefinanzierten Zukunftsfonds könnten endlich alle Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden – vor allem diejenigen, die bisher nicht ausbilden wollten. Die Realität zeigt, dass das funktioniert: In manchen Branchen wie dem Baugewerbe ist bereits ein umlagefinanzierter Branchenfonds eingeführt worden. Die Jugendverbände der IG Metall und des DGB drängen nun auf eine branchenübergreifende Lösung.