1. November 2011
Abitur oder Berufsausbildung – was ist mehr wert?
Mehr Anerkennung für berufliche Bildung
Wer in Europa ab kommendem Jahr eine Qualifikation erhält, wird über den sperrigen Begriff Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR) stolpern. Der EQR soll Bildungswege vergleichbar machen. In Deutschland ist der Streit über die Umsetzung neu entbrannt. Die IG Metall hält es für unverantwortlich, ...

... dass betriebliche Ausbildungsabschlüsse schlechter gestellt werden als das Abitur.

Der Europäische Qualifikationsrahmen soll in den EU-Ländern umgesetzt werden. In Deutschland sorgt dafür der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR). Er sieht acht Bildungsniveaus vor, denen Qualifikationen zugeordnet werden. Hintergrund ist die Absicht, jungen Leuten künftig europaweit einheitliche Bildungspässe auszustellen. Das soll Mobilität erleichtern und Karrierewege öffnen. Mit der europaweiten Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen soll es zum Beispiel einfacher werden, einen Job im Ausland aufzunehmen.


Start des DQR ab 2012

Die Kultusminister der Länder haben beschlossen, dass das Abitur und Fachabitur im geplanten Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) auf Stufe fünf der achtstufigen Skala angesiedelt wird. Eine Lehre soll dagegen geringer eingestuft werden. Nach jetzigem Stand werden die zweijährigen Ausbildungsberufe der Stufe drei zugeordnet, die drei und dreieinhalbjährigen Berufe der Stufe vier. Die Kulturminister argumentieren mit der Besonderheit des deutschen Bildungssystems, das über das Abitur den Weg zum Studium eröffnet. In anderen Ländern sind dagegen noch Eingangsprüfungen üblich. Die Einstufung von Bildungsabschlüssen auf der achtstufigen Skala wird ab 2012 relevant. Ab diesem Zeitpunkt werden alle Bildungszertifikate wie der Facharbeiterbrief oder das Abiturzeugnis den Hinweis auf den DQR enthalten und den Abschluss einer Niveaustufe des DQR zuordnen.


Die IG Metall hat den Beschluss der Kultusministerkonferenz jedoch entschieden zurück gewiesen und mehr Anerkennung für die berufliche Bildung gefordert. Auch bei Wirtschaftsverbänden und der Bundesregierung stößt die Entscheidung auf einmütige Ablehnung. Abitur und dreijährige Berufsausbildung müssen innerhalb des Deutschen Qualifikationsrahmens DQR auf eine Stufe gestellt werden, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan. „Ich setze mich dafür ein, dass die dreijährige Berufsausbildung – etwa zum Mechatroniker, Optiker oder zu den Gesundheitsberufen – auf die gleiche Stufe kommt wie das Abitur“, so Schavan.


Angriff auf die duale Berufsausbildung

Die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung wollen – außer den Kultusministern – eigentlich alle, angefangen vom DIHK und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDK) bis hin zu den Wirtschaftsministern der Länder. Sie werten die Entscheidung, das Abitur höher einzustufen als die meisten Berufsabschlüsse, als Generalangriff auf die duale Berufsausbildung. Wenn der Großteil der Ausbildungsberufe unterhalb der allgemeinen Hochschulreife eingeordnet wird, droht der dualen Berufsausbildung ein massiver Attraktivitätsverlust.


Die Position der IG Metall und der anderen DGB-Gewerkschaften ist in der Sache eindeutig: Sie lehnen die Höherbewertung des Abiturs ab und fordern eine Überarbeitung des DQR. Bildungsexperte Klaus Heimann dazu: „Was da in Berlin im Namen des Kulturföderalismus beschlossen wurde, ist unverantwortlich. Und dies auch noch unter dem Deckmäntelchen der Gleichwertigkeit verkaufen zu wollen, ist schlicht eine Unverschämtheit.“


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