Jugendstudie der IG Metall 2013
Taten statt Sonntagsreden

Verkehrte Welt: Trotz demografischem Wandel und Nachwuchssorgen bieten Unternehmen jungen Menschen kaum sichere Jobs. Jeder vierte Beschäftigte unter 35 Jahren ist befristet oder in Leiharbeit. So das Ergebnis der TNS-Infratest-Studie im Auftrag der IG Metall.

23. August 201323. 8. 2013


Für Max Ferber* ist es eine schwierige Situation. Gerade erlebt der 22-Jährige, wie sich seine Träume nach einer gesicherten beruflichen Tätigkeit in Luft auflösen. Der gelernte Kfz-Mechatroniker arbeitet eigentlich in seinem Wunschbetrieb – einem großen bayerischen Automobilhersteller. Jedoch nur als Leiharbeitnehmer. Seine Hoffnungen schwinden, dort noch eine feste Stelle zu bekommen. So richtig verstehen kann Ferber das nicht. Denn er ist qualifiziert und engagiert sich.

 

Nachdem Ferber seine Abschlussprüfung in einem Autohaus mit Bravour geschafft hatte, war er in seinem Ausbildungsbetrieb noch für 18 Monate als Geselle tätig, bevor er zu dem Autobauer wechselte. Am Anfang erschien es ihm ganz verständlich, dass der neue Arbeitgeber sich erst mal nicht festlegen wollte und ihm keinen unbefristeten Arbeitsvertrag anbot. Denn sie kannten ihn ja noch nicht. „Ich habe die Zähne zusammengebissen und bin auch hingegangen, wenn es mir nicht so gut ging“, sagt er.

Doch nachdem nun viele seiner Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls über eine Zeitarbeitsfirma dort beschäftigt waren, gehen mussten, hat er kaum noch Hoffnung auf eine Festanstellung. Ferber kann nicht verstehen, warum er immer noch hingehalten wird. Er ist verlässlich und gut in seinem Job. Auch dem Unternehmen geht es gut. Ein Beleg dafür ist die Prämie, die jeder Stammbeschäftigte im letzten Geschäftsjahr erhalten hat – über 5000 Euro. Leiharbeiter wie er gingen jedoch leer aus. In seiner Gruppe waren das sieben von insgesamt zehn Mitarbeitern.

Max Ferber ist kein Einzelfall. So wie ihm geht es vielen jungen Menschen. Sie alle hoffen, ihre Zukunft nach eigenen Wünschen gestalten zu können. Auf eigenen Füßen stehen, über eigenes Einkommen verfügen und eine eigene Wohnung haben. Doch die Realität sieht für viele anders aus. Obwohl die Unternehmen über Nachwuchsprobleme klagen, finden viele Berufseinsteiger keinen dauerhaften Arbeitsplatz.

Fast jeder vierte junge Arbeiter oder Angestellte hat ein unsicheres Arbeitsverhältnis. Zu den unsicheren oder prekären Arbeitsverhältnissen gehören befristete Jobs, Praktika, ABM-Maßnahmen und Leiharbeit. „Mit Befristungen, Leiharbeit und Werkverträgen für die junge Beschäftigte steuern Unternehmen und Politik in die falsche Richtung. Es ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, die Verhältnisse wieder gerade zu rücken“, fordert Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall.


1000 junge Menschen befragt

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse breiten sich immer weiter aus. Das ist eines der Ergebnisse der Jugendstudie, die Infratest im Auftrag der IG Metall durchgeführt hat. Dabei wurden etwa 1000 junge Beschäftigte im Alter zwischen 14- und 34 Jahren befragt. Im Fokus der TNS Infratest-Studie stehen deren Stimmung und Zukunftserwartung. Das Institut untersuchte die Einstellungen, Ängste und Erwartungen junger Menschen insbesondere zur beruflichen Situation und ihren Perspektive. Diese wurde den Ergebnissen aus den Vorläuferstudien gegenübergestellt. Die Studie wird bereits zum vierten Mal durchgeführt. Die Ergebnisse sind eine Richtschnur für die IG Metall. Seit 2009 beschäftigt sich die Gewerkschaft intensiv mit der jungen Generation. Sie richtet ihre Forderungen und Handlungen an deren Bedürfnissen aus.


Angst um den Arbeitsplatz und die Probleme die Zukunft zu planen, ist bei vielen der unter 35-Jährigen allgegenwärtig. 87 Prozent der Befragten fühlen sich durch die Unsicherheit psychisch belastet. Denn gerade diejenigen, die nur einen unsicheren Job haben, fällt eine Zukunftsplanung außerordentlich schwer. Acht von zehn der Befragten sehen eine große Hürde darin, eine Wohnung zu mieten. Fast genauso viele klagen über Erschwernisse bei der Familiengründung und der Lebensplanung. Wie soll man auch planen, wenn nicht klar ist, wie es in einem halben Jahr, einem oder zwei Jahren weitergeht?

 

Holpriger Einstieg ins Berufsleben

Weder der demografische Wandel noch die notwendige Fachkräftesicherung wirken sich positiv auf die Berufs- und Lebensperspektiven von jungen Menschen aus. Jeder vierte hat bislang nur befristete Jobs erlebt. Und: Viele der Jungen mit einer Befristung haben nach ihrer Ausbildung einen Job angenommen, der unter ihrer Qualifikation lag. Unter den befristet Beschäftigten waren das 40 Prozent. Nicht selten mussten sie zudem ungewollt den Arbeitsplatz wechseln. Davon betroffen waren 53 Prozent. Eine verkehrte Welt angesichts der Anforderungen der Unternehmen und des hohen Qualifikationsniveaus dieser Generation.

 

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie

  • Der Trend zu unsicherer Beschäftigung ist ungebrochen und weiterhin auf hohem Niveau. Jeder Drittee der unter 35-Jährigen ist davon betroffen.
  • 23 Prozent der U-35-Generation arbeitet in einem befristeten Arbeitsverhältnis.
  • Befristet Beschäftigte sind häufig unter ihrer Qualifikation beschäftigt.
  • Jeder zweite befristet Beschäftigte hat bereits ungewollt den Arbeitsplatz wechseln müssen.
  • 28 Prozent arbeiten überwiegend im Rahmen eines Werkvertrages.
  • Jeder dritte Befragte ist unzufrieden mit dem Handeln der Politik.


Enttäuscht von der Politik

Dass sich fast jeder dritte junge Mensch enttäuscht und unzufrieden über die Arbeit der Bundesregierung äußert, ist verständlich. Denn lange Phasen der Unsicherheit sind mittlerweile eine Alltagserfahrung junger Menschen, da sie häufig über viele Jahre hinweg keinen dauerhaften Arbeitsplatz finden. Auch ist die Diskrepanz zwischen den Ankündigungen der Regierung und der Wirklichkeit bei den wichtigen Themen Altersversorgung, Arbeits- und Wohnsituation groß. Tatsächlich regiert die Politik an den Menschen vorbei. Auch Max Ferber ist enttäuscht: „Es ist ungerecht, mit dieser Unsicherheit leben und Angst haben zu müssen, von heute auf morgen rausgeschmissen zu werden“.

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*Name von der Redaktion geändert.

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