Nichts geht ohne Medien. Wer seine Ideen verbreiten will, braucht Multiplikatoren. Und „die beste PR ist, wenn sie als Journalismus daherkommt“, sagte Thomas Leif, damals noch Vorsitzender von „Netzwerk Recherche“, gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die INSM nutzt verschiedene Zugänge, um ihre „Botschafter“ und ihre Botschaft in den Medien zu platzieren, ohne selbst in Erscheinung zu treten oder die Arbeitgeberverbände als Finanziers zu nennen.
Zusammenarbeit mit Medien
Die INSM geht Partnerschaften mit Medien ein. Jüngstes Beispiel: Zusammen mit dem Zeit-Verlag schreibt sie einen Essay-Wettbewerb für Studierende mit dem Titel „Was ist für uns soziale Marktwirtschaft?“ aus. Vorsitz der Jury ist der ehemalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer. Dass Tietmeyer auch Kuratoriumsvorsitzender der INSM ist, woher das Preisgeld von 10.000 Euro stammt, wer sich hinter der „namhaften“ Jury verbirgt und von wem die Initiative neue soziale Marktwirtschaft finanziert wird, verrät der Zeit-Verlag nicht. Auf der Website ist nur soviel zu lesen: „Ein Angebot der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Kooperation mit dem Zeitverlag.“
Eine besondere Beziehung besteht zur Wirtschaftswoche. „Die neue Macht des Arbeitnehmers“ hieß das Sonderheft 1/2011, das gemeinsam mit der INSM erstellt wurde und zeigen sollte, „welche Herausforderungen auf dem Weg zur Vollbeschäftigung bewältigt“ werden müssten. Zum 60. Jubiläum der Bundesrepublik gab es eine gemeinsame Sonderausgabe „Armes Deutschland? Reiches Deutschland!“. Zusammen betreiben sie den so genannten Deutschland-Check als Online-Portal (bis 2009 „Politik-Check“), die „Arbeitnehmer-Umfrage“, die „Ökonomenumfrage“, die „Unternehmerbefragung“ und so genannte Expertenumfragen. Dazu beauftragen Wirtschaftswoche und INSM das Institut der deutschen Wirtschaft und berichten dann über die Ergebnisse.
Natürlich darf bei den Medienpartnerschaften auch das Springerblatt Welt nicht fehlen. „Was uns beschäftigt – Der Arbeitsmarkt in turbulenten Zeiten“, so hieß der Titel des sechsten Hauptstadtforums am 27. September 2011 in Berlin, zum dritten Mal in Zusammenarbeit mit der Welt. Anderes Beispiel: Die Welt vergab einen Recherche-Auftrag zum Thema „Die größten Jobvernichter der Bundesrepublik“, die INSM lieferte den Text, in der Zeitung erschien eine Doppelseite.
Im Jahr 2009 veröffentlichten INSM und die Financial Times Deutschland (FTD) ein Booklet „Lehren aus der Krise: Sechs Verstöße gegen die soziale Marktwirtschaft“. Für eine 15-teilige Heftreihe mit dem Titel „Ökonomie. Die Klassiker kompakt“ spendierte die INSM der FTD schon früher einen Zuschuss.
Die Liste lässt sich erweitern: Die Super-Illu, eine Wochenzeitschrift des Hubert Burda Media Konzerns für den Osten, bringt eine, von der INSM finanzierte Sonderausgabe anlässlich 20 Jahre Mauerfall heraus. Tenor: DDR-Bashing, Loblied auf die Einheit und 48 Seiten Frohsinn, schreibt die Frankfurter Rundschau im August 2009.
Darum geht’s: „Reformthemen breiter zu streuen und exklusive Nachrichten zu platzieren“, hieß es in einer INSM-Broschüre. Auch wenn die Nachrichten bisweilen selbst produzierte sind, wie die Bundesländer-, Regional- und Städterankings. Oder das Küren des „Reformer des Jahres“, von 2003 bis 2005 gemeinsam mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (2003: Paul Kirchhof, 2004: Friedrich Merz, 2005: Udo di Fabio), ebenso wie den „Blockierer des Jahres“ zu dem der damalige Erste Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, gemacht wurde und das SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles. Die INSM verlieh den „Sonderpreis Nachwuchsförderung“, worüber wiederum berichtet wurde. Die Mitglieder der Jury bestanden aus INSM-Botschaftern und -kuratoren, was meist verschwiegen wurde.
Die Rolle von Journalisten
Bisweilen lassen sich auch Journalisten bereitwillig vor den Karren der arbeitgeberfinanzierten Lobbyorganisation spannen. Die Journalistin Maybrit Illner, die sich für einen Journalisten-Kodex stark macht, moderierte den ersten Berliner Kongress der INSM im Jahr 2001 „für ein angemessenes Honorar“, so der damalige INSM-Geschäftsführer. Die Journalistin Anne Will folgte ihr, moderierte den „Kongress 2002“ und interviewte den damaligen BDI-Präsidenten Michael Rogowksi. Auf die Frage nach der Höhe ihres Honorars erklärte nach Angaben der „Tageszeitung“ die Will media GmbH, dass Anne Will generell keine Auskunft über ihre Einnahmen gebe. Das Problem ist dabei folgendes: Nicht nur ihre Vorgängerin Sabine Christiansen lud gerne INSM-Botschafter in ihre Sendung ein (nach Informationen des ARD-Magazins „plusminus“ von 2005 gleich drei in einer Sendung). Anne Will tat es ihr nach, wie immer ohne deren Funktionen bei einer arbeitgeberfinanzierten Lobbyorganisation zu nennen. Der NDR rechtfertigte sich, dass auf der Website der Sendung „Anne Will“ zu lesen war, dass Raffelhüschen Berater der arbeitgebernahen Lobbyorganisation INSM sei, in mehreren Aufsichtsräten sitze, unter anderem bei der Ergo-Versicherungsgruppe. Fragt sich nur, wer Websites liest beim Fernsehschauen.
Vermischung von PR und Journalismus
Weitere Beispiele für Vermischungen von PR und Journalismus gibt es zuhauf. Nach Recherchen des Politmagazins „Monitor“ mischte die INSM bei einem Seminar zum Thema „Wirtschaftsberichterstattung im TV“ an der RTL-Journalistenschule im Herbst 2005 mit und finanzierte einen Großteil der Kosten für Seminar und Produktion von Übungsbeiträgen, um „die wirtschaftspolitische Kompetenz der Journalistenschüler“ zu verbessern, wie Lobbycontrol 2009 die INSM zitierte. Oder: Vor der Bundestagswahl 2009 wirbt die INSM freie Journalisten an und schickt sie auf Deutschlandtour, damit sie in Videoreportagen das Thema soziale Marktwirtschaft unter die Leute bringen. Den Journalisten werden Kontakte zu anderen Medien versprochen, etwa „Neon“, Zeit, Bildzeitung, „Anne Will“ oder „titel, thesen, temperamente“ sowie prominente Interviewpartner wie die Kanzlerin oder der Deutsche-Bank-Chef. Allerdings wussten die Medien nichts davon, hatten einer Zusammenarbeit nie zugestimmt oder lehnten – wie der Schriftsteller Günter Grass – Interviews für die INSM rundweg ab. Als dies alles von Lobbycontrol aufgedeckt wurde und Spiegel und Süddeutsche Zeitung berichteten, zeigte sich die INSM zerknirscht und bedauerte, dass dieses „Arbeitspapier“, bei dem es sich nur um erste Vorüberlegungen gehandelt habe, weitergegeben worden sei. www.deutschland2430.de (30 Tage lang 24 Stunden auf Tour) ist allerdings nach wie vor als Internet-Portal sichtbar.
Schleichwerbung
Immer häufiger fliegt Schleichwerbung der INSM allerdings auf. Durch Recherchen des Journalisten Volker Lilienthal war bekannt geworden, dass die INSM zahlte – die taz spricht von 58.670 Euro – um neoliberale Botschaften in Dialogen der Vorabendserie „Marienhof“ zu platzieren. Aufgeflogen war auch die Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk (hr) und INSM. Der freie Autor Günter Ederer erstellte für den hr einen Dreiteiler über „Das Märchen vom blühenden Arbeitsmarkt“, „Das Märchen von der gerechten Steuer“ und „Das Märchen von der sicheren Rente“. Ein Teil der Kosten wurde über den Verkauf der Videorechte an die INSM finanziert. Im Abspann wurden die Videos zum Kauf angeboten unter der Adresse der INSM.
[Zitat:] „Niedriglöhne sind vor allem eines Einstiegslöhne!“ Und: „Jeder Job ist besser als kein Job.“ Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative neue soziale Marktwirtschaft.