Erst Corona, dann Krieg und Inflation: Die gefühlte Dauerkrise nagt bei vielen Menschen an den Nerven. Das allgemeine Stresslevel ist hoch.
Das hat Folgen für die Art und Weise, wie wir miteinander reden. Der Ton ist rauer geworden. Menschenfeindliche und undemokratische Aussagen sind häufiger zu hören.
Eine im Februar vorgestellte Studie zeigt: Fast jede zweite Person in Deutschland wurde schon einmal im Internet beleidigt. Ein Viertel der Befragten wurde sogar mit körperlicher Gewalt konfrontiert. Besonders häufig trifft der Hass Menschen mit Migrationshintergrund und junge Frauen.
Doch gegen die Verrohung der öffentlichen Debatte lässt sich etwas tun. Jede und Jeder kann dazu beitragen. Der Berliner Verein „Kleiner Fünf“ hat Tipps zusammengestellt, wie man die Demokratie im Gespräch stärken kann – ohne selbst aggressiv zu werden.
Oft merkt man schnell, ob Gesprächspartner vor allem auf Krawall aus sind: Sie werden laut, aufbrausend, unsachlich. Wenn das der Fall ist, sollte man die Wutspirale nicht noch selbst mit antreiben. Besser ist: Betont ruhig reagieren. Nicht provozieren lassen. Auf Fakten hinweisen. Auch mal sachlich nachfragen: „Glaubst Du das wirklich?“ Auch eine humorvolle Bemerkung kann helfen, das Gespräch zu entspannen – und so eine Basis für eine vernünftige Unterhaltung zu schaffen.
Wer Wut im Bauch hat, haut gerne mal eine Beleidigung raus oder eine unfaire Verallgemeinerung. Wer so etwas nicht einfach stehen lassen will, sollte nachhaken: „Was meinst Du denn konkret?“ Oder: „Was genau stört dich?“ Helfen kann auch der Hinweis, dass die genannten Dinge überhaupt nichts miteinander zu tun haben. So lassen sich pauschale Verallgemeinerung aufbrechen.
Behauptungen sind keine gute Basis für ein sinnvolles Gespräch. Wer sich gegenseitig nur Vorurteile oder Gerüchte an den Kopf wirft, kann die Diskussion auch gleich sein lassen. Deshalb: Einhaken und fragen: „Woher hast Du Deine Informationen?“, „Welche Gründe kannst Du für Deine Meinung nennen?“, und: „Sind diese Gründe wirklich stichhaltig und durch Fakten belegt?“ Diesen Maßstab muss man dann natürlich auch an sich selbst anlegen – und die eigenen Aussagen klar begründen.
Die Wortwahl spielt für Diskussionen eine große Rolle. Wenn jemand pauschal ganze Bevölkerungsteile oder Berufsgruppen abwertet („Die Politiker sind alle korrupt“) dann vergiftet das die Situation und schafft ein aggressives Gesprächsklima. Ganz abgesehen davon, dass Verallgemeinerungen selten stimmen und fast immer unfair sind – weil damit viele unbescholtene Menschen für die Fehler Einzelner in Haftung genommen werden. Wenn solche Wörter fallen heißt es: Widersprechen. Und: zu Unrecht attackierte Menschen in Schutz nehmen.
Das Gespräch suchen? Unbedingt! Offene Ohren für Sorgen und Nöte haben? Auf jeden Fall! Wenn das Gegenüber aber nur pöbelt und flucht, auf Nachfragen nicht eingeht oder überhaupt nicht zuhört, dann ist es besser, das Gespräch aktiv zu beenden. Auch das ist ein Signal: „Auf dieser Grundlage können wir nicht miteinander sprechen. Überlege mal, wie Du mit Deinem Hass auf andere wirkst.“
Die genannten Gesprächstipps eignen sich etwa gegen rechtpopulistische Gesprächsmuster, wie sie vielfach im Umlauf sind. Diese Muster oder Strategien sollen vor allem ablenken, verwirren, falsche Behauptungen verbreiten.
Typisch für solche Gesprächsmuster sind zum Beispiel:
Dieser englische Begriff meint: Jemand versucht, von einem unangenehmen Thema abzulenken indem ein neues Thema aufgerufen wird. Nach dem Motto: „Ja, aber was ist denn mit….?!“
Beispiel: Person A und Person B reden über Gewalttaten gegen Asylsuchende. Person B sagt: „Ja, aber was ist denn mit linksextremen Gewalttaten?“ Der Einwand dient dazu, von einem unliebsamen auf ein gewünschtes Thema umzuschwenken.
Sinnvolle Reaktion: Darauf hinweisen, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, und am ursprünglichen Thema dranbleiben.
Rechtspopulisten behaupten oft, im Namen „des Volkes“ oder „der schweigenden Mehrheit“ zu sprechen. Wen genau sie damit meinen sagen sie nicht. Hier hilft: Nachfragen und korrigieren. Rechtspopulisten schließen viele Menschen aus. Sie können also kaum das ganze „Volk“ vertreten. Die „Mehrheit“ vertreten sie ohnehin nicht: Bei keiner Wahl in Deutschland haben sie je auch nur annähernd 50 Prozent erhalten.
„Das habe ich neulich erst im Internet gelesen“ – so stützen viele Menschen ihre antidemokratischen Aussagen. Von solchen angeblichen „Fakten“ sollte man sich nicht beeindrucken lassen. Mögliche Reaktion: Nachhaken, Quellen einfordern, widersprechen.
Hinweis: Die hier beschriebenen Tipps und Strategien stammen vom Verein „Kleiner Fünf/Tadel verpflichtet! e.V.“. Auf der Webseite des Vereins gibt es weitere Informationen und ein Rollenspiel, mit dem sich schwierige Gesprächssituationen trainieren lassen.