Tim Neumann: Wir organisieren etwa Gegendemonstrationen gegen rechte Veranstaltungen bei uns im Rems-Murr-Kreis. Aber das ist für uns nicht maßgeblich. Wir versuchen vor allem aufzuklären: Wie rechte Hetze am Arbeitsplatz läuft und wie man dagegen vorgeht. Und über die Ziele von AfD und rechten Pseudogewerkschaften wie dem „Zentrum Automobil“, über ihre Hinterleute - und wie sie in der rechten Szene vernetzt sind. Wir veranstalten dazu Vorträge und Diskussionen. Und wir zeigen Präsenz vor Betriebe und in Wohngegenden, wo viele Arbeiter wohnen, und versuchen ins Gespräch zu kommen. Gerade die Beschäftigten vor den Betrieben nehmen unsere Flyer gerne an und fragen nach.
Wir klären über rechte Hetze am Arbeitsplatz auf – und was man dagegen tun kann, zeigen Hintergründe und Verbindungen der Rechten auf - und zitieren aus ihren Programmen. Die Rechten sind nämlich alles andere als arbeitnehmerfreundlich. Die Gründer der AfD etwa waren neoliberale Professoren. Und sie tun auch nichts für die Beschäftigten. Die Leute vom „Zentrum Automobil“ gehen zwar durch die Hallen und hören sich die Probleme an. Bei manchen Beschäftigten entsteht dann der Eindruck, die kümmern sich. Aber das stimmt nicht. Lösungen für die Probleme bieten die Rechten nicht.
Wir hatten da gerade einen typischen Fall bei uns in der Region. Ein Kollege mit Migrationshintergrund bekam ständig diskriminierende WhatsApp-Bilder mit harten Nazi-Inhalten von zwei direkten Kollegen geschickt. Der betroffene Kollege hat über Monate nichts dagegen unternommen, in der Hoffnung, dass die Hetzer dann irgendwann von allein aufhören. Doch es wurde immer schlimmer. Doch die rechten Hetzer verharmlosen das, verdrehen, lügen und inszenieren sich auch noch als Opfer.
Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass man etwas dagegen unternehmen muss. Sonst werden die Hetzer immer frecher. Erst mal müssen wir uns darüber klarwerden: Rechte Hetze ist nicht das Problem von Einzelnen. Zwar sind erst einmal Einzelne betroffen, aber gemeint sind viel mehr. Wir sollten uns zusammenschließen und unterstützen. Wir müssen die Betroffenen solidarisch stärken und den Rechten die Grenzen zeigen: Wir sind mehr – und wir halten stärker zusammen als Ihr.
Wir haben uns als Bündnis solidarisch mit Alfred Denzinger erklärt, einem Journalisten bei uns in der Region, der über die Rechten sorgfältig recherchiert und aufklärt. Die Rechten bewarfen sein Haus und sein Auto mit Farbbeuteln. Wir haben als Bündnis nicht sofort angefangen, dazu zu arbeiten, sondern waren eher bereit zu glauben, dass sich das schon nicht wiederholen, dass die Rechten schon von alleine schon aufhören. Aber sie wurden dann noch mutiger und aggressiver. Denzinger erhielt sogar eine Morddrohung per Mail: Man werde die „Denzinger-Mischpoke töten“, Denzinger verbrennen und seine Familie „der Ausrottung anheimstellen“. Solche faschistischen Angriffe gegen die Pressefreiheit und damit gegen einen Grundpfeiler der Demokratie dürfen wir nicht unwidersprochen hinnehmen.
Das liegt vor allem an der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte. Leiharbeit, Ausgliederungen über Werkverträge, Sozialabbau – all das hat den Rechten den Nährboden bereitet. Die Rechten versprechen soziale Sicherheit, allerdings nur für Deutsche. Das kommt bei einigen an. Dabei hat der Kollege, der neben mir am Band steht, genauso gearbeitet. Die Diesel-Krise etwa stellen die Rechten als Konflikt zwischen Arbeitern und Umwelt dar, nicht als Versäumnis der Autoindustrie, und sie tun so, als wären sie die einzigen, die auf der Seite der Arbeiter stehen. Dabei haben sie auch hier keinerlei Lösungen anzubieten.
Beides, sowohl die Hetze als auch ihre Rolle als scheinbare Kümmerer sind immer gekoppelt mit Angriffen auf die IG Metall oder andere DGB-Gewerkschaften. Aus meiner Sicht wollen sie die Gewerkschaften schwächen oder sogar zerschlagen.
Das fing an, als ich 18, 19 Jahre alt war, mit dem Aufstieg der AfD. Die AfD veranstaltete bei uns im Rems-Murr-Kreis eine Kundgebung mit Beatrix von Storch, die gerade mit ihrer Idee vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge Schlagzeilen gemacht hatte. Bis dahin hatte ich keine Notwendigkeit gesehen, zu Demos zu gehen. Doch nun hatte ich echte Sorgen, dass sich 1933 wiederholt. Das Bündnis „Zusammen gegen Rechts“ war dort, um gegen die AfD zu protestieren. Ich trat ein, arbeitete mit und habe dann auch bald gesagt: Ja, ich bin bereit, Gesicht zu zeigen und für das Bündnis öffentlich zu sprechen.
In die IG Metall bin ich vor allem eingetreten, weil ich in ihr eine Machtbasis gegen die Rechten sehe. Wenn man positive Veränderungen in der Gesellschaft will, braucht man Leute, die das Interesse teilen. Arbeiterinnen und Arbeiter, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter können kein Interesse an Rechten haben. Und Gewerkschaften wie die IG Metall können eine große Kraft entfalten. Wir müssen noch viel mehr werden, die sich zusammen gegen Rechts engagieren.