Im Schnitt müssen Frauen mehr als 50 Tage länger arbeiten als Männer, um auf das gleiche Geld zu kommen. Der Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit markiert den Tag, bis zu dem Männer arbeiten müssen, um rechnerisch auf das durchschnittliche Jahresgehalt von Kolleginnen zu kommen. In diesem Jahr ist das der 10. Oktober. Denn noch immer besteht eine geschlechtsspezifische Entgeltlücke von durchschnittlich 22 Prozent, in einigen Branchen und Regionen ist sie noch weit größer.
Fast alles fängt klein an. So ist es auch beim Unterschied zwischen der Bezahlung von Frauen und Männern. Wenn junge Frauen ins Arbeitsleben starten, liegt ihr Gehalt noch nicht so dramatisch weit weg von den Männerentgelten. Die Differenz beträgt nur rund zwei Prozent. Doch mit den Erwerbsjahren spreizt sich die Schere immer weiter. Frauen im Alter von 55 bis 59 Jahren müssen sich mit knapp 75 Prozent dessen zufrieden geben, was Männer auf ihrem Gehaltszettel haben.
Der Gender Pay Gap, also die durchschnittliche Lücke zwischen den Gehältern von Männern und Frauen, wird häufig damit erklärt, dass Frauen oft in typischen Frauenbetrieben und -berufen arbeiten. Dort sind die Entgelte generell niedriger, beispielsweise in der Textil- und Bekleidungsindustrie oder im Pflegebereich. In der Metall- und Elektroindustrie regelt der Entgeltrahmentarifvertrag (ERA) die Bezahlung. Er ist eine gute Ausgangsbasis für eine diskriminierungsfreie Bezahlung.
Trotzdem gibt es sie. Männer sind häufiger in höheren Entgeltgruppen eingruppiert und erhalten höhere Zulagen. Doch es gibt noch weitere Unterschiede. Die hat kürzlich die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden. Danach erhalten nur 57 Prozent der Frauen Weihnachtsgeld, bei den Männern sind es fast 61 Prozent. Befördert wird nur jede fünfte Frau, während es bei den männlichen Kollegen fast jeder Dritte ist. Dazu kommt, dass Frauen häufiger als Männer in Teilzeit arbeiten. Das bremst die Einkommens- und Karrierechancen aus.
Dabei starten Frauen gut qualifiziert ins Arbeitsleben – meist mit besseren Berufsabschlüssen als Männer. Doch im Laufe ihres Arbeitslebens gibt es viele Stolperstellen. Erziehungspausen und Zeiten, in denen Angehörige gepflegt werden müssen, sind die häufigsten Hürden. Viele Frauen steigen ganz oder für einen begrenzten Zeitraum aus dem Job aus. Sie verpassen Weiterbildungen und haben es dann beim Wiedereinstieg deutlich schwerer. Wenn sie auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sind ihre männlichen Kollegen auf der Karriereleiter meist schon eine Stufe höher geklettert.
Doch auch die Frauen, die kontinuierlich im Job bleiben und keine Auszeit nehmen, werden beim Entgelt abgehängt. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Begründungen. Personalchefs gehen nicht selten grundsätzlich davon aus, dass Frauen irgendwann einmal zeitweise aussteigen und daher nicht gefördert werden. Oder sie begründen das niedrigere Entgelt damit, dass Frau ja doch einen Partner habe, der gut verdiene.
Arbeitgeber behaupten gerne, dass die Einkommensunterschiede überhaupt nicht so gravierend seien. Wenn man die gleichen Berufe zugrunde lege, wäre der Unterschied nicht so groß. Tatsächlich zeigt sich dann natürlich eine andere Gleichung. Doch gleicher und gerechter wird dieser Vergleich trotzdem nicht, finden wir: Das Gehalt einer Bürokauffrau liegt 13 Prozent unter dem eines Bürokaufmanns. Und eine Zahntechnikerin bekommt 31 Prozent weniger Geld als ihr männlicher Kollege. Damit ist auch klar, dass die Lücke nicht allein mit den niedrig bezahlten, sogenannten Frauenberufen zu erklären ist.
Wir fordern gleiches Geld für gleichwertige Arbeit. Damit sich in den Unternehmen etwas ändert, haben wir die Initiative „Auf geht’s – faires Entgelt für Frauen“ gestartet. Betriebsräte durchforsten in den Unternehmen die Entgeltstrukturen: Wie viele Frauen und wie viele Männer sind in welchen Bereichen und auf welchen Hierarchiestufen beschäftigt? Wie viele Männer und wie viele Frauen sind in welchen Tarifgruppen eingruppiert? Bekommen Frauen die gleichen Zulagen, die gleichen Prämien und werden sie zum gleichen Zeitpunkt hochgestuft wie Männer? Wem von beiden wird eine Beförderung angeboten und wem nicht? Die Antworten darauf können eine Basis dafür sein, in den Unternehmen Verbesserungen herbei zu führen.
Heute, am Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit, werden bundesweit Gewerkschafterinnen auf die Ungerechtigkeiten beim Einkommen aufmerksam machen. Transparenz beim Entgelt ist ein wichtiger Baustein bei dem Ziel, echte Chancengleichheit zu erreichen. Davon profitieren auch Männer. Und es hilft dabei, das Miteinander vertrauensvoll zu gestalten.