Der Abstand zwischen den Entgelten von Frauen und Männern nimmt ab, aber nur ganz langsam. Zurzeit verdienen Arbeitnehmerinnen in Deutschland insgesamt 21 Prozent weniger als Arbeitnehmer. Eine Rolle spielt auch, dass sie sich oft in typischen Frauenberufen und -branchen konzentrieren, in denen das Lohnniveau insgesamt niedrig ist. Was aber passiert, wenn Frauen in klassische Männerberufe einsteigen, hat die Uni Bamberg untersucht. Die gute Nachricht für Männer: Sie werden nicht schlechter bezahlt, wenn der Frauenanteil in einem klassischen Männerberuf steigt. Die schlechte Nachricht für Frauen: Trotzdem sinkt das durchschnittliche Einkommensniveau in einem Beruf, wenn mehr Frauen ihn ergreifen.
Die Soziologin Corinna Kleinert vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg hat es gemessen: Steigt der Frauenanteil in einem Beruf um zehn Prozentpunkte, sinkt das Einkommensniveau um vier. Das liegt nach den Ergebnissen der Forscherin daran, dass Frauen auch dann schlechter bezahlt werden, wenn sie einen klassischen Männerberuf ergreifen. Wird ihr Anteil größer, ziehen sie den Durchschnitt nach unten. So weit, so logisch, so einfach.
Eine beliebte Erklärung für die Lohnlücke von bundesweit durchschnittlich 21 Prozent zwischen Männern und Frauen lautet: Frauen wählen die falschen Berufe. Wer Sozialarbeiterin statt Ingenieurin wird, verdient eben weniger. Aus Sicht Kleinerts ist aber entscheidender, was die Arbeit von Frauen wert ist. Die Frage laute nicht: Warum wählen Frauen die schlecht bezahlten Berufe? Sondern: Warum werden Frauenberufe schlechter bezahlt? Die Erklärung der Soziologin: „Typische Frauenberufe, wie Kindererziehung und Pflege, wurden der Sphäre des Haushalts, nicht des Marktes zugeordnet. Daher waren sie auf dem Markt nichts wert. Das hat eine lange Geschichte, ist historisch gewachsen und ändert sich daher nur sehr langsam.“
Doch obwohl Frauenberufe oft in einer finanziellen Sackgasse enden, halten sich die Vorlieben bei der Berufswahl so konstant wie die Lohnlücke. „Die Vorstellung, welches Geschlecht welchen Beruf macht, entsteht in der Grundschule. Das ist tief in uns verankert“, sagt Kleinert. Wie tief, zeigt sich auch dort, wo Frauen sich ehemalige Männerdomänen erobert haben. Der Lehrer- oder Arztberuf sind Fortsetzungen klassischer Frauenberufe der Erziehung und Pflege. „Vom Einzelnen zu verlangen, sich diesem Denken zu widersetzen, ist viel verlangt“, sagt Kleinert. Daher ändern auch Veranstaltungen wie der Girls’ Day oder das Werben um Frauen für naturwissenschaftliche Fächer wenig. „Sie setzen nur punktuell an und kommen im Lebenslauf zu spät“, sagt Kleinert. „Wir müssen damit spätestens in der Grundschule anfangen.“
Die Rollenbilder bei der Berufswahl halten sich nicht nur, sie breiten sich auch aus. In den ostdeutschen Bundesländern, in denen Frauen zu DDR-Zeiten oft in klassischen Männerberufen arbeiteten, entscheiden sie sich bei der Berufswahl immer mehr wie westdeutsche Frauen. Interessant dabei: In Westdeutschland verdienen Frauen in einigen Regionen im Schnitt mehr als Männer.
Um die Lohnlücke zu schließen, müssen sich nach Ansicht der Bamberger Forscherin Kleinert die Lohnstrukturen ändern. Welche Effekte Veränderungen in der Lohnstruktur haben, zeigt etwa die Einführung des Mindestlohns. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Lücke zwischen Frauen und Männern um ein Prozentpunkt kleiner geworden. Noch deutlicher lassen Tarifverträge die Lohnlücke schrumpfen. 2010 war sie in Metallbetrieben mit Tarifvertrag rund acht Prozentpunkte kleiner als in Betrieben ohne. Dennoch bleibt eine Lücke. An den Eingruppierungen liegt es nicht, wie eine Erhebung der IG Metall ergab. Die meisten Frauen waren richtig eingruppiert. Allerdings fiel auf, dass sie in den höheren Entgeltgruppen häufig fehlten, seltener in eine höhere Entgeltgruppe aufstiegen und dass Arbeitsplätze, die von Frauen besetzt sind, bei Zulagen und Zuschlägen häufig leer ausgingen. Für Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, zeigt das Ergebnis: „Trotz guter Eingruppierungspolitik in den Betrieben gibt es noch jede Menge zu tun, um die Lohnlücke zu schließen.“
Einen Fortschritt könnte das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen bringen, das vom Kabinett verabschiedet wurde. Danach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten einen individuellen Anspruch, Auskunft zur Bezahlung zu erhalten. Christiane Benner begrüßt das Gesetz: „Die Differenz zwischen den Einkommen von Frauen und Männern ist nach wie vor eklatant. Das geplante Gesetz ist ein erster Schritt, um mehr Transparenz über Lohn und Gehaltsstrukturen herzustellen und die Sensibilität für diskriminierende Entgeltstrukturen in den Betrieben zu stärken.“ Sie kritisiert allerdings, dass das Gesetz erst ab 200 Beschäftigten gilt. Frauen arbeiten häufig in kleineren Betrieben. Wirken könne es nur, wenn das Ministerium die Schwelle deutlich herabsetze.