Hans-Jürgen Urban: Die Anerkennung ist ein großer Erfolg für die Behindertenpolitikerinnen und -politiker der IG Metall, über den ich mich sehr freue. Wir haben ein seit langem gestecktes behindertenpolitisches Etappenziel erreicht.
Dadurch erfährt unsere gemeinsame Arbeit, die wir in der Vergangenheit im Interesse behinderter Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben geleistet haben, eine besondere Wertschätzung. Zugleich ist die Anerkennung als Behindertenverband aber auch eine Verpflichtung für die die Zukunft. Wir müssen jetzt weiterhin am Ball bleiben und die Teilhabepolitik zum Thema in den Betrieben machen.
Die offizielle Anerkennung bedeutet Rückenwind für unsere Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben. Sie können jetzt in dem Bewusstsein an die Arbeit gehen, dass hinter ihnen eine Gewerkschaft steht, die zusätzliche rechtliche Instrumente an die Hand bekommen hat, um das Thema Gleichstellung und Inklusion behinderter Menschen anzugehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Betriebsräte und SBVen diesen Rückenwind nutzen werden!
Wir sollten gemeinsam mit Betroffenen und Schwerbehindertenvertretungen die Initiative ergreifen und den Fokus unsere behindertenpolitischen Aktivitäten auf das Thema „Barrierefreiheit“ legen. Ich schlage als Motto vor: „Gute Arbeit barrierefrei gestalten“.
Barrierefreiheit ist das Schlüsselthema für eine mögliche Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen. Wenn häufig erst große Umbau- bzw. Anpassungsmaßnahmen am Arbeitsplatz oder Arbeitsumfeld veranlasst werden müssen, bevor eine Person mit Behinderung eingestellt werden kann, kann das zu einer unüberwindbaren Einstellungshürde werden.
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall
Ich schlage vor, dass wir mit ausgewählte Pilotbetriebe unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretungen (SBV) starten. Hierbei wird es darum gehen, barrierefreie Zugänge zum Betrieb ins das Zentrum der SBV-Arbeit zu stellen und zu zeigen, dass betriebliche Lösungen praktikabel und nicht zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden sind. Zudem können wir damit deutlich machen, dass Schwerbehindertenvertretung und IG Metall betrieblich erfolgreiche Interessenvertretungsarbeit im Feld der Behinderten- und Teilhabepolitik leisten. So etwas wertet die Funktionäre und die IG Metall auf und lässt sich auch noch für die Mitgliederwerbung nutzen.
In der Tat sind Verbandsklagen jetzt möglich. Aber die Klage kann nur Ultima Ratio, also letztes Mittel sein. Zuvor müssen alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein. Und da gibt es viele andere Dinge, die man tun kann, um zu einer barrierefreien Arbeitswelt und zu guten betrieblichen Lösungen zu kommen.
Wenn die Arbeitgeber es genauso ernst meinen mit der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen wie wir, dann bieten wir ihnen an, mit uns kollektive Zielvereinbarungen hierzu abzuschließen. In solchen Zielvereinbarungen können wir Mindestansprüche verbindlich regeln und konkrete Umsetzungsschritte zu einem inklusiven Arbeitsumfeld vereinbaren.
Da fallen mir zu allererst die Berufsschulen ein. Sie müssen generell baulich barrierefrei gestaltet werden. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass die behinderten Azubis gemeinsam mit ihren Ausbildungskollegen in die gleiche Berufsschule gehen können. Das ist heute nämlich nicht der Fall. Oft werden behinderte Azubis extern in völlig anderen Schulen unterrichtet als ihre nicht-behinderten Azubi-Kollegen – zum Teil sogar zu anderen Zeiten. Das ist ein Unding und stört den Ausbildungsablauf. Inklusion sieht jedenfalls anders aus!