Man entwickelt eine Art Paranoia. Man fragt sich ständig: Was denkt mein Gegenüber gerade über mich? Dass Migration als Problem diskutiert wird, ist nicht neu. Aber die Debatte kommt in immer kürzeren Abständen. Die Botschaft, die dadurch bei mir ankommt, lautet: Egal was passiert – die Migranten sind schuld. Die Menschen in meinem Freundeskreis arbeiten, haben studiert, sind integriert. Und trotzdem fühlen wir uns angesprochen. Wir stehen unter Generalverdacht.
Viele denken mittlerweile darüber nach, ob sie hier überhaupt eine Zukunft haben. Ich kenne Leute, die Deutschland bereits verlassen haben. Die arbeiten jetzt in Spanien oder in Dubai. International aufgestellte Arbeitgeber bieten für so etwas Möglichkeiten.
Die Medien schüren zu oft Aufregung und Angst. Es wird zum Beispiel kaum über Rettungstaten von Menschen mit Migrationshintergrund berichtet. Das konnte man bei der Berichterstattung über die jüngsten Anschläge sehen. Die Statistik zeigt: Die Kriminalität in Deutschland geht zurück. Aber negative Nachrichten verkaufen sich besser. Das schafft ein schiefes Bild von der Wirklichkeit. Viele Menschen denken, Deutschland werde immer krimineller. Ein weiteres Problem der Medien: Alle reden über Migranten. Aber keiner redet wirklich mit den Migranten.
Weil keiner sagt, wann Integration eigentlich abgeschlossen ist. Jemand wie ich – der arbeitet, eine Ausbildung hat, die Erwartungen erfüllt – wird trotzdem immer wieder damit konfrontiert. Man ist sein Leben lang auf Bewährung. Gerade ältere Migranten tragen oft einen Reflex in sich: Sie wollen sich permanent beweisen, zeigen, wie fleißig sie sind. Aber wenn sie mal einen Fehler machen, heißt es: Du bist ja doch nicht integriert!
Es fehlt an politischer Teilhabe für Menschen mit Migrationshintergrund. Weit über 20 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Migrationsgeschichte. Aber in Parlamenten oder Behörden spiegelt sich das nicht wider. Für Migranten ist es sehr schwer, sich in der Politik oder in der Verwaltung hochzuarbeiten. Echte Teilhabe gibt es in Deutschland noch nicht.
Eigentlich ist das Aufgabe der Politik. Aber die tut sich damit offenbar schwer. Den Anfang müssen wohl andere Akteure machen – zum Beispiel Gewerkschaften. Für ein Gefühl von Zusammenhalt ist Repräsentation entscheidend.
Ja. Weil da gerade in Schulen und Bildungseinrichtungen viel passiert. Ich gehe zu solchen Anlässen auch selbst an Schulen und berichte über meine Erfahrungen. Das Ziel ist: Zeigen, wie die Realität aussieht. Kinder sollten lernen, dass es Rassismus gibt. Und welche schlimmen Folgen er haben kann. Am Ende des Tages geht es um Menschlichkeit. Wenn man sich gegenseitig als Mensch anerkennt, dann ist man schon integriert.
Schwierige Frage. Das ist wahrscheinlich ein Kampf, den man ein Leben lang führt, über Generationen. Es gibt keinen Knopf, den man einfach drücken kann, und dann ist der Rassismus plötzlich verschwunden. Aber die junge Generation macht mir Hoffnung. Sie erlebt Vielfalt schon in der Schule, im Kindergarten. Dort gibt es Freundschaften zwischen Kindern und Jugendlichen mit verschiedenen Familiengeschichten. Ich selbst hatte als Kind noch wenig Berührungspunkte mit Deutschen ohne Migrationshintergrund. Die gingen in andere Schulen, teils in Privatschulen.
Ich habe die Möglichkeit, Gehör zu finden. Das muss ich nutzen. Ich kämpfe ja nicht nur für mich selbst, sondern für viele Menschen in diesem Land. Ich habe da ein Pflichtgefühl.