„Refugees welcome“ ― nicht nur Pflegeheime sind froh, wenn sie Geflüchtete finden, die sich um ihre betreuungsbedürftigen Menschen kümmern. Auch die Industrie und der Handel setzen vermehrt auf Zuwanderer, um ihre freien Arbeitsplätze zu besetzen. 20 000 Geflüchtete machen in diesen Wirtschaftszweigen zurzeit eine Ausbildung, vor allem in den Metall- und Elektrobranchen. 14 Prozent der Betriebe bilden Flüchtlinge aus, weitere 16 Prozent wollen in nächster Zeit damit anfangen. Im Handwerk sind Geflüchtete ebenfalls gefragt. Und das nicht nur aus humanitären Gründen.
„Wir hatten für unseren offenen Ausbildungsplatz im Karosseriebau niemand gefunden“, berichtet Alexander Hengst vom Autohaus Fleischhauer in Köln. Er ist dort Betriebsratsvorsitzender. Dass die Stelle doch noch besetzt werden konnte, verdankte die Kfz-Werkstatt einem ehemaligen Karosseriebaumeister, der jetzt in Rente ist und sich in einem Verein engagiert, der sich um Jugendliche mit Vermittlungsproblemen kümmert. Er kannte und empfahl den jungen Flüchtling. Einen anderen jungen Mann, einen 20-jährigen Iraner, schickte die Arbeitsagentur zu dem Autohaus. Die beiden arbeiteten Probe und wurden als Azubis eingestellt. Der Iraner lernt jetzt Kfz-Mechatroniker. „Sie sind gut“, sagt Hengst, „bis auf die Sprachprobleme. Wir haben dafür gesorgt, dass sie Nachhilfeunterricht erhalten. Den bekommen auch deutsche Azubis, wenn sie Schwächen haben, zum Beispiel in Mathematik.“
„Gerade die Handwerkskammern waren bei der beruflichen Integration von Flüchtlingen von Anfang an sehr aktiv“, berichtet Helmut Dittke vom Ressort Handwerk und Kleine und mittlere Unternehmen beim IG Metall-Vorstand. Das ist auch wenig erstaunlich. Kaum eine Wirtschaftsgruppe klagt so stark über Fachkräftemangel wie die Handwerksbetriebe. „Sie könnten gut 200 000 Arbeitsplätze mehr besetzen, wenn sie Fachkräfte für sie fänden“, sagt Dittke. 19 000 Ausbildungsplätze sind unbesetzt. „Das liegt natürlich auch daran, dass das Handwerk oft nicht gerade die besten Entgelte und Arbeitsbedingungen bietet“, kritisiert er. Ein Grund dafür ist, dass viele sich weigern, mit uns Tarifverträge abzuschließen. Die Fachkräftenot ist also zum Teil hausgemacht.
Das geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall Ralf Kutzner, der für das Handwerk und Klein -und Mittelbetriebe zuständig ist, sagt dazu: „Integration gelingt am besten durch Arbeit. Deshalb ist es richtig, den Geflüchteten in Deutschland Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen.“ Das Handwerk werde von ihnen profitieren. Mit klugen politischen Strategien müsse dafür gesorgt werden, dass auch Flüchtlinge ihren Platz in der Arbeitswelt und der Gesellschaft finden.
„Die Geflüchteten dürfen jedoch nicht missbraucht werden, um die Facharbeiterlücke mit Arbeit zum Billigtarif zu schließen. Sie müssen zu den gleichen tariflichen Bedingungen beschäftigt und ausgebildet werden wie alle anderen auch“, fordert Kutzner.
Besonders wichtig ist auch, dass allen Arbeit Suchenden Zugänge zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen ermöglicht werden. Auf dem deutschen Ausbildungsmarkt sind immer noch mehr als eine Million junge Leute ohne Chance auf eine Stelle. „Sie alle müssen mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik unterstützt und gefördert zu werden.“
Nicht für jede Stelle findet sich ein einheimischer Bewerber. Der junge Flüchtling, der bei Fleischhauer in Köln Karosseriebau lernt, hätte sehr gute Chancen übernommen zu werden. Auch der junge Iraner hätte gute berufliche Perspektiven. „Gute Mechatroniker werden überall händeringend gesucht“, sagt Alexander Hengst. „Denn die Probleme im Handwerk, Fachkräfte zu finden, verschärfen sich in den nächsten Jahren, weil viele Ältere ausscheiden.“
Fleischhauer würde gerne noch mehr Geflüchtete einstellen. Wie viele andere Betriebe sieht das Autohaus darin eine Chance, die demografischen Probleme zu lösen. Was Firmen wie Fleischhauer zurzeit daran hindert, Geflüchtete zu beschäftigen, ist der unsichere Aufenthaltsstatus der jungen Leute. Die Betriebe wollen Planungssicherheit. Es bringt nichts, in die Ausbildung junger Menschen zu investieren, wenn sie sie plötzlich abbrechen müssen. „Wer einen Ausbildungs- oder festen Arbeitsplatz hat, braucht Schutz vor Abschiebung und muss dauerhaft bleiben können. Dafür muss die Politik sorgen“, sagt Alexander Hengst.
Was viele nicht wissen: Das Handwerk fördert auch Ausbildung im Ausland. In den Kammern, den Selbstverwaltungen des Handwerks, reden Metaller mit ― und unterstützen Entwicklungshilfeprojekte. „Wir versuchen, mit guten Praxisbeispielen Ausbildungen nach dem ― international anerkannten ― deutschen Modell zu etablieren“, sagt Helmut Dittke. Solche Projekte fördern die Handwerkskammern in einer Reihe afrikanischer Länder.
So engagiert sich zum Beispiel die Handwerkskammer Frankfurt am Main seit über 20 Jahren in Marokko. Gut 10 000 junge Menschen hat sie in Kfz- und Elektroberufen ausgebildet, neuerdings auch Berufen rund um die regenerative Energie. „Das ist ein Beitrag, um Fluchtursachen zu bekämpfen“, findet Dittke. „Wer eine gute Ausbildung hat, will nicht nach Europa kommen.“