2. März 2017
IG Metall: Starker Partner in Ungarn
Daimler-Beschäftigte erkämpfen satte Lohnzuwächse
Zwölf-Stunden-Schichten und niedrige Löhne sind das täglich Brot der Beschäftigten in Ungarn. Anfang des Jahres haben Daimler-Beschäftigte eine Lohnerhöhung von 26 Prozent durchgesetzt. Unterstützung kommt durch die Partnerschaft von IG Metall mit der ungarischen Metallgewerkschaft VASAS.

Im November 2016 ging es rund im Daimler-Automobilwerk in der ungarischen Stadt Kecskemet. Für zwei Stunden stand eine Produktionslinie still. Der Streik von 70 Beschäftigten war einer der ersten in der ungarischen Autoindustrie seit der Wende 1989. Für die Beschäftigten ein absolutes Novum. Der Arbeitgeber sah sich gezwungen, den Lohnforderungen der ungarischen Gewerkschaft VASAS nachzugeben. In den kommenden zwei Jahren steigen die Löhne um satte 26 Prozent. Ein Riesenschritt für die Beschäftigten, die stolz auf ihren Erfolg sind und sich nicht von ihren Vorgesetzten einschüchtern ließen. Der Tarifabschluss ist auch ein Signal für andere Werke, denn in Ungarn haben sich einige Automobilhersteller und Zulieferer vor allem aus Deutschland angesiedelt. Ohne die gute Zusammenarbeit von Betriebsräten und Vertrauensleuten zwischen Deutschland und Ungarn wäre das nicht möglich gewesen.


Um Betriebsräte und Vertrauensleute zu vernetzen, haben IG Metall und die ungarische VASAS ein Projektbüro in Kecskemét bei Budapest gestartet. Foto: Peter Sarosi

 


In Kecskemét entstehen bei Daimler sowie in der ebenfalls dort angesiedelten Zulieferindustrie zwischen fünf- und sechstausend neue Arbeitsplätze. 4000 Menschen arbeiten dort bereits in einem Werk von Mercedes Benz. Aber auch in der ungarischen Stadt Györ hat sich die deutsche Autoindustrie niedergelassen. Diese beiden Städte sind die Zentren der ungarischen Automobilindustrie. In Ungarn arbeiten rund 30 000 Menschen in Standorten deutscher Unternehmen der Automobilzulieferbranche.


Mitglieder gewinnen und Tarifforderungen durchsetzen

In den ungarischen Werken schauen die Beschäftigten mit Interesse nach Deutschland, was Betriebsräte zusammen mit der IG Metall in den Mutterkonzernen in puncto Mitbestimmung und Tarif erreicht haben. Die ungarische Metallgewerkschaft VASAS versucht nun verstärkt, in der Autoindustrie Mitglieder zu gewinnen und tarifliche Forderungen durchzusetzen. Die IG Metall unterstützt VASAS bei der Qualifizierung von Betriebsräten und Vertrauensleuten. Dazu wurde schon vor einem Jahr ein gemeinsames Projektbüro von IG Metall und VASAS in Györ eröffnet. Nun folgte am 28. Februar ein weiteres Büro in Kecskemét.

Es handelt sich dabei um das gewerkschaftliche Bildungs- und Beratungsinstituts TPI Nonprofit Kft. TPI steht für Transnationale Partnerschaftsinitiative von IG Metall und der ungarischen Gewerkschaft VASAS. Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, begründet die Präsenz der IG Metall in Ungarn mit dem Konkurrenzdruck entlang der Wertschöpfungskette. „Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Deutschland sind langfristig nur dann sicher, wenn auch an den ausländischen Standorten die Arbeits- und Einkommensbedingungen mit Hilfe starker gewerkschaftlicher Organisation verbessert werden“, sagte Lemb. Dem globalen Unterbietungswettbewerb und Sozialdumping der Konzerne setze die IG Metall eine grenzenlose gewerkschaftliche Solidarität entgegen. „Wir sind da präsent, wohin die Konzerne ausweichen wollen, um mit niedrigen Löhnen und Sozialstandards den maximalen Profit einzustreichen.“


Unterstützung bei Lohnverhandlungen und Schichtmodellen

Einer der seit Anfang das Projekt dieser Transnationalen Partnerschaft aktiv vorangebracht hat, ist Uwe Krause. Er ist Betriebsrat und Vertrauenskörperleiter bei Daimler in Rastatt. „Wir haben viele gemeinsame Probleme in Rastatt und Kecskemét. Deshalb arbeiten wir mit den ungarischen Kollegen von Anfang an zusammen und tauschen Informationen aus, egal ob es um Lohnverhandlungen, Schichtmodelle oder andere Themen geht.“ Seit 2012 gibt es gemeinsame Workshops mit Vertrauensleuten aus Rastatt und aus Keckskemét. Damit versuchen Krause und seine Kollegen, Erfahrungen in der betrieblichen Gewerkschaftsarbeit an die Kollegen hier in Ungarn weiterzugeben.

Die Lohnverhandlungen Ende letzten Jahres in Kecskemét haben gezeigt, dass der Arbeitgeber in Ungarn nicht machen kann, was er will. Aber es bleibt noch vieles zu tun und für die Beschäftigten besser zu regeln. In der Produktion in Kecskemét müssen sie teilweise in 12-Stunden-Schichten arbeiten. Das ist gesundheitlich sehr belastend und kann kein Dauerzustand sein. Je besser die Arbeitsbedingungen in Ungarn sind, um so weniger geraten Standards in Deutschland unter Druck. Für Krause macht das Engagement der IG Metall in Ungarn deshalb langfristig Sinn: „Die Arbeitsbedingungen sind da gut, wo Gewerkschaften stark sind. Deshalb sind wir froh, dass Vasas hier in der letzten Lohnrunde Mitglieder gewonnen hat und wir hoffen das geht nun weiter so.“


Beschäftigte pochen auf ein Ende der Bescheidenheit Testlabor der deutschen Autoindustrie

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