Mohammed Ibrahim ist einer der Inhaftierten, die mehr als 70 Tage ohne Verfahren im Gefängnis saßen. Er und seine Mitstreiter kamen erst auf internationalen Druck vor allem von Seiten des Gewerkschaftsdachverbands IndustriAll Global endlich frei. Seine Haftbedingungen waren schauderhaft. Ibrahim war mit seinen Leidensgenossen in einen winzigen, stinkenden Raum gepfercht, direkt vor der Toilette. Zu sechst teilten sie sich zwei Decken. Reis und Linsen war die einzige Nahrung. Manche wurden geschlagen. Die Wachen forderten von den Häftlingen 1000 Taka, umgerechnet 12 Euro. Sonst würden ihnen Fußschellen angelegt. Ibrahim kam schließlich frei, weil seine Familie und seine Gewerkschaft dafür bürgten, dass er nicht untertaucht.
Der Gewerkschaftsverband IndustriAll Global hatte in einer Kampagne die sofortige Freilassung der Gefangenen und eine Erhöhung des Mindestlohns in Bangladesch gefordert. Video: IndustriAll Global
Ibrahim ist bei der Gewerkschaftsföderation BGIWF im Kreis Ashulia als Gewerkschaftssekretär tätig. In Ashulia gibt es viele Textilfabriken. Im Dezember hatten Tausende dort für eine Erhöhung des Mindestlohns auf rund 180 Euro, fast dreimal so viel wie bisher, demonstriert. Die Polizei ging gewaltsam gegen die Demonstranten vor. Viele Arbeiterinnen verloren für ihren Einsatz den Job. Andere wurden von den Arbeitgebern ausgesperrt, um sie vor weiteren Demonstrationen abzuschrecken. So wie die alleinerziehende Mutter Ratna Akhter. Die junge Mutter musste bisher mit umgerechnet nur 90 Euro im Monat zurechtkommen. Jetzt steht sie ganz ohne Einkünfte da. Ob sie wieder einen Job an der Nähmaschine bekommt, ist ungewiss.
Die Niederschlagung der Arbeiterproteste war für den Gewerkschaftsdachverband IndustriAll Global Union, dem auch die IG Metall angehört, Anlass für eine Kampagne gegen die Regierung Bangladeschs und die dort produzierenden Textilfirmen. „Die IG Metall hat die Inhaftierung der Arbeiter und Gewerkschafter schärftens kritisiert“, sagte der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann, der seit vergangenem Jahr auch Präsident von IndustriAll Global ist. Dass die Regierung in Dhaka jetzt gehandelt und die unschuldig Inhaftierten auf freien Fuß gesetzt hat, sei ein wichtiger Erfolg. „Aber damit ist der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen in Bangladesch noch lange nicht zu Ende.“, sagte Hofmann und bekräftigte: „Wir werden die Kolleginnen und Kollegen vor Ort weiter unterstützen.“
„Wenn ein Arbeiter von einem Fabrikbesitzer gekündigt oder suspendiert wird, bekommen die Betroffenen nur noch schwer einen Job“, berichtet Gewerkschaftsführer Taslima Akther. Sogenannte schwarze Listen mit Namen und Fotos werden an andere Unternehmen im Großraum Dhaka weitergegeben, damit die für ihre Rechte Kämpfenden keine Arbeit mehr in der Bekleidungsindustrie finden. „Wenn ein Arbeiter von einem Fabrikbesitzer gekündigt oder suspendiert wird, bekommen die Betroffenen nur noch schwer einen Job“, sagt Akther.
Die Solidarität mit den Textilarbeitern in Bangladesch war diesmal besonders groß. In vielen Städten weltweit organisierten Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen Proteste vor Botschaften Bangladeschs. Für das IG Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb steht fest: „Regierung und Unternehmen haben die Textilstreiks zur Niederschlagung der Arbeiterbewegung in Bangladesch missbraucht.“ Die textilen Handelskonzerne sind aus Sicht der IG Metall mitverantwortlich für diese Zustände und müssen sich deshalb ihrer Verantwortung stellen.