Die Methoden sind oft brutal und perfide. Menschen, die sich für Arbeitnehmerrechte einsetzen, werden Opfer von Verhaftungen, Schlägen und Folter. Ihnen wird unter fadenscheinigen Anschuldigungen der Prozess gemacht. Sie bekommen keinen fairen Prozess und geraten in Haft, wo sie Opfer massiver Schikanen werden. Es gibt viele Beispiele von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern auf der ganzen Welt, denen durch das Netzwerk geholfen werden soll, das die IG Metall jetzt mit Amnesty International Deutschland gegründet hat.
Einer der Fälle, um die sich das neugegründete Netzwerk zusammen mit Amnesty International kümmert, ist Esmail Abdi. Er ist Mathematiklehrer und Vorsitzender einer Lehrergewerkschaft im Iran. Sein Engagement ist dem iranischen Staat schon lange ein Dorn im Auge. Abdi ist in Haft, weil er Demonstrationen von Lehrerinnen und Lehrern gegen schlechte Bezahlung organisiert hat. Abdi musste Einzelhaft über sich ergehen lassen und trat zwischenzeitlich in Hungerstreik. Amnesty International fährt schon seit längerem eine Kampagne, um Abdi zu unterstützen und freizubekommen.
Noch übler erging es zwei iranischen Aktivisten, die in der Provinz Khuzestan gegen schlechte Arbeitsbedingungen bei einer Zuckerrohrfabrik protestierten. Die beiden Aktivisten Esmail Bakhshi und Sepideh Gholian wurden in der Haft mit Metallstangen geschlagen, gefesselt und misshandelt. „Hier gibt es keine Menschenrechte und ihr habt keine Wahl, außer wie ein Hund zu gestehen“. Mit solchen Äußerungen versuchten Sicherheitskräfte die beiden gefügig zu machen.
Derzeit läuft eine Eilaktion für einen Gewerkschafter aus Venezuela. Rubén González wurde 2018 inhaftiert, weil er sich friedlich für Tarifverhandlungen und Arbeitsrechte in Venezuela eingesetzt hatte. Über ein Jahr lang wurde ihm eine angemessene medizinische Versorgung verweigert. Jetzt ist er gesundheitlich in einer sehr schlechten Verfassung und muss wegen akut hohen Blutdrucks dringend behandelt werden. Amnesty International fordert die bedingungslose Freilassung von González. Solange er unfairerweise in Haft ist, muss er eine angemessene medizinische Behandlung bekommen. „Im Rahmen einer urgent action kann jeder, der González helfen will, einen Brief an den Präsidenten von Venezuela schicken und die Freilassung des Gewerkschafters fordern“, sagt Ruth Jüttner von Amnesty International.
Jüttner begrüßte die Initiative der IG Metall, eine eigene Gruppe für diese Thematik ins Leben zu rufen. Mithilfe von Briefaktionen soll die Freilassung für inhaftierte Gewerkschafter erreicht werden. Auch Hafterleichterungen können für die Gefangenen schon viel bewirken. Wie der IG Metall-Hauptkassierer Jürgen Kerner betonte, ist das Netzwerk offen für Mitglieder aller DGB-Gewerkschaften. Interessierte, die in Betrieben arbeiten oder studieren, kümmern sich ehrenamtlich um die Fälle und beteiligen sich an Eilaktionen, etwa dann, wenn einem verfolgten Gewerkschafter Folter, Verschwindenlassen oder die Hinrichtung droht.
Das Netzwerk will sich um regionale und thematische Schwerpunkte kümmern. Beispielsweise rücken durch die Fußball-Weltmeisterschaft die Arbeitsbedingungen im Austragungsland Katar stärker in den Fokus. In dem arabischen Land entstehen derzeit Stadien und Unterkünfte für Sportler und Gäste, die für die Spiele 2022 erwartet werden. Auf den Baustellen werden viele Menschen aus anderen Ländern wie Philippinen, Indien, Nepal und Bangladesch beschäftigt. Da Vorschriften für Arbeitssicherheit weniger streng sind, kommt es häufig zu Verletzungen und sogar Todesfällen.
Durch das in Katar herrschende sogenannte Kafala-System sind die Arbeitsbedingungen im Niedriglohnbereich besonders prekär. Agenturen in Südostasien vermitteln Arbeiter gegen hohe Gebühren. Sobald die Arbeitsmigranten in Katar angekommen sind, behalten die Arbeitgeber häufig entgegen geltendem Recht die Pässe ein. Arbeitsmigranten dürfen nur mit Erlaubnis des Arbeitgebers die Firma wechseln oder wieder ausreisen. Es herrscht Willkür, wann und in welcher Höhe der Lohn gezahlt wird. In Katar sind Gewerkschaften verboten. Die Arbeitsmigranten haben kaum Möglichkeiten, ihre Rechte einzufordern, zum Beispiel wenn ihnen der Lohn vorenthalten wird. Diese moderne Form der Leibeigenschaft dokumentieren Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International seit Jahren und mobilisieren dagegen mit Aktionen und Lobbyarbeit auf nationaler und internationaler Ebene.
„Wir werden uns in der nächsten Zeit verstärkt um das Thema Katar und Fußball-WM kümmern“, sagte Jürgen Kerner. Er appellierte an Gewerkschaftsmitglieder, sich für das Netzwerk zu engagieren. „Je mehr mitmachen, umso besser“, sagte Ruth Jüttner von Amnesty International Deutschland. „In vielen Ländern haben Gewerkschafter einen schweren Stand. Wir können ihnen zur Seite stehen und deutlich machen, dass es grundlegendes Recht ist, Gewerkschaften zu gründen, ihnen beizutreten und sich für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen.“
Hilfenetzwerk für mutige Gewerkschafter: IG Metall-Spende an Amnesty International