Mal ganz spontan, Professor Dullien: Fällt Ihnen etwas Gutes zu US-Präsident Donald Trump ein?
Sebastian Dullien: Trump gibt Menschen eine Stimme, für die der amerikanische Traum nicht mehr existiert. Der Mittelstand ist trotz Vollzeitarbeit und Mindestlohn abgehängt. Eltern stellen fest, dass ihren Kindern nicht mehr alle Möglichkeiten offenstehen. Diese Problematik hat er auf die politische Agenda gesetzt.
Hat seine Politik für uns Europäer etwas Positives?
Derzeit ist Trumps Politik gut für die deutsche und auch die europäische Konjunktur.
Wie das? Ein Trump-Effekt?
Ja, man könnte es so nennen. Derzeit steigt der US-Dollar gegenüber dem Euro. Deshalb werden deutsche Produkte für die Amerikaner billiger und sie wollen und können mehr davon kaufen. Um es volkswirtschaftlich auszudrücken: Die deutschen Exporte in die USA steigen und das bringt Wachstum.
Na, dann ist ja alles gut.
Kurzfristig ja. Mittel- bis langfristig könnte sich Trumps Politik aber negativ auf Wirtschaft und Beschäftigung in Deutschland und Europa auswirken.
Wie das?
Alle Pläne des Präsidenten deuten darauf hin, dass sich die US-Regierung weiter verschulden wird. Dafür werden schon alleine die steigenden Rüstungsausgaben sorgen. Auch die geplanten Steuersenkungen dürften teuer werden. Das wachsende Haushaltsdefizit wird wiederum mehr Kapital in die USA locken und die amerikanische Notenbank wird mit einer Zinssteigerung gegenhalten. Für den US-Dollar heißt das: Er wird in Folge weiter steigen. Das wiederum wird die amerikanische Industrie unter Druck setzen, die wiederum beim Weißen Haus anklopfen dürfte, um gegen die ausländische Politik geschützt zu werden.
Trumps Politik, seine Politik in den USA, setzt also Dinge in Bewegung, die wir noch nicht voraussehen können?
Ja. Und diese Botschaft ist mittlerweile auch bei vielen Unternehmen angekommen. Die USA sind der zweitgrößte Handelspartner der deutschen Industrie. Die Manager befürchten Auswirkungen auf ihre Exporte.
Inwieweit?
Trumps Motto heißt: „America first“. Das heißt, er wird sich die vielen Exporte aus Deutschland oder auch aus China langfristig nicht tatenlos anschauen. Der Präsident hat bereits mit zwei Schritten gedroht. Zum einen, deutsche Waren mit Zöllen zu belegen. Zum anderen, mit seiner geplanten Steuerreform in Amerika produzierte Waren zu bevorteilen.
Was könnten Zölle auslösen?
Lassen Sie uns das einmal durchspielen: Trump hat als Präsident gesetzliche Möglichkeiten, deutsche Waren mit Zöllen zu belegen. Sagen wir mal, er erhebt Zölle von zehn Prozent auf deutsche Einfuhren in die USA. Das würde die Wirtschaft und die Bundesregierung zum Handeln zwingen. Sie würden sich bei der Welthandelsorganisation, der WTO, beschweren. Die WTO, als Hüterin des freien Handels, würde sagen, „Sorry, geht nicht! Auch Deutschland darf Zölle auf amerikanische Produkte erheben.“ Das könnte eine Eskalation auslösen.
Die Zölle steigen immer weiter ... drohen aggressive politische Maßnahmen?
Ja. Das ist das eine Szenario. Außerdem plant Trump eine weitere protektionistische Maßnahme: eine Unternehmenssteuerreform, die vor allem die Unternehmen belohnen wird, die, vereinfacht gesprochen, Waren und Dienstleistungen innerhalb Amerikas produzieren oder die viele inländische Zulieferer haben. Dieses Element der Steuerreform heißt Border Tax Adjustment. Sie wird auch viele deutsche Produzenten betreffen.
Wie würde sich die Steuerreform auswirken?
Die grundsätzlichen Fragen lauten: Wer produziert wo was in den USA? Und wer produziert in den USA mit welcher inländischen Wertschöpfung? Betreffen wird eine solche Steuerreform die Automobilindustrie, Anlagen und Ausrüstungen, die Chemiebranche sowie den Flugzeugbau.
Es gibt durch den drohenden Protektionismus also nur Verlierer?
Vielleicht nicht nur Verlierer, aber sehr viele Verlierer. Vor allem die ärmere Bevölkerung in den USA wird es spüren, wenn die Preise für Waren und Dienstleistungen steigen. Aber auch in Deutschland und Europa könnte es Beschäftigte hart treffen, wenn Produktionsverlagerung droht. Aktuell ist es aber eher die Unsicherheit, die die Unternehmen lähmt. Sie wissen nicht, ob und inwieweit die Pläne des US-Präsidenten greifen werden. Solche Unsicherheiten führen immer zum Stillstand und der ist schlecht für Innovation und Beschäftigung. Dazu kommt noch das Szenario eines Handelskriegs. Keine guten Aussichten.
Sie sprechen von einem Handelskrieg. Droht das Ende der Globalisierung?
Die meisten Menschen sind sich nicht bewusst, wie fragil Freihandel ist. Das wird auch der Brexit zeigen. Die Unternehmen stellen plötzlich fest, wie verwundbar ihre Zuliefererketten sind. Und wie teuer der grenzüberschreitende Handel werden kann. Die Populisten in Frankreich und auch Ungarn drohen und spielen mit dem Protektionismus. Am Ende wird eine De-Globalisierung mehr Verlierer als Gewinner haben.
Sebastian Dullien ist Wirtschaftswissenschaftler und Journalist. Seit Oktober 2007 ist er Professor für Allgemeine Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Außerdem ist er seit 2011 Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations. In seinem 2009 erschienenen Buch „Der gute Kapitalismus“ macht er sich stark für einen Kapitalismus, der an die Leine genommen werden muss.