... Der geplante Abschluss des Freihandelsabkommens mit der EU könnte dem Regime zusätzliche internationale Legitimation verleihen.
„Ein Handelsabkommen mit Kolumbien wäre ein Schlag ins Gesicht der kolumbianischen und der globalen Gewerkschaftsbewegung“, schreibt Berthold Huber, Erster Vorsitzender der IG Metall und Präsident des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes (IMB), im Dezember 2009 in einem Brief an Angela Merkel und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Huber appelliert an die Politiker, sich für eine Unterbrechung der Verhandlungen zwischen EU und Kolumbien über ein Freihandelsabkommen stark zu machen.
IG Metall fordert Unterbrechung der Verhandlungen
Ein solches Abkommen würde einer Regierung internationale Legitimation verschaffen, „die nicht fähig und Willens ist, grundlegende Menschenrechte der kolumbianischen Bürger zu garantieren und zu schützen“, begründet Huber seinen Appell und schlägt vor, die Verhandlungen sollten zumindest solange ruhen, wie das Regime die sozialen Grundrechte – einschließlich der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte – mit Füßen trete. Ungeachtet dessen hat die EU-Kommission bekanntgegeben, dass das Freihandelsabkommen mit Kolumbien unterschriftsreif sei.
Gewerkschaftsfeindliche Politik
Die Missachtung der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte in Kolumbien hat viele Gesichter. In den vergangenen Jahren sind hunderte Gewerkschafter in Kolumbien Opfer von Mord, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen geworden. Doch diese Greueltaten sind „nur“ traurige Spitzen einer gewerkschaftsfeindlichen Politik, die zum Ziel hat, den Einsatz für Arbeitnehmerrechte zu erschweren, wenn nicht gar zu unterbinden.
Theoretische Vereinigungsfreiheit
Das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit ist in der kolumbianischen Verfassung verankert. Laut Gesetz steht es den Gewerkschaften frei, die von ihnen wahrgenommenen Tätigkeiten selbst zu regeln. Die Auflösung einer Gewerkschaft oder das Aufheben ihrer Rechtspersönlichkeit kann nur per Gerichtsbeschluss, nicht aber durch einen Verwaltungsakt erfolgen. In der Praxis liegen der uneingeschränkten Wahrnehmung des Vereinigungsrechts jedoch einige gesetzliche Hürden im Weg. Verwaltungsbehörden haben weitreichende Ermessensbefugnisse, um eine Nichtgenehmigung der Registrierung zu begründen, die im Widerspruch zum in Kolumbien ratifizierten ILO-Kernübereinkommen 87 stehen. Allein zwischen 2002 und 2008 lehnten die Behörden laut Internationalem Gewerkschaftsbund (IGB) über 250 Anträge auf Gewerkschaftsgründungen ab. Auch Amnesty International (ai) stellt Ende 2007 fest: Das Recht auf Vereinigungsfreiheit wird in Kolumbien nicht „tatsächlich realisiert“.
Illegalisierte Streiks
Um das von der kolumbianischen Verfassung garantierte Streikrecht ist es in der Realität ebenfalls nicht gut bestellt. Theoretisch sollten von diesem Recht nur Angehörige der Streitkräfte, der Polizei sowie Beschäftigte in wesentlichen oder vorrangigen öffentlichen Diensten ausgenommen sein. Da eine genaue gesetzliche Definition dieser wesentlichen oder vorrangigen Dienste bisher allerdings fehlt, können Streiks anhand von Kriterien, die im Widerspruch zu den Grundsätzen der Vereinigungsfreiheit stehen, für illegal erklärt und die Teilnehmer somit einfach entlassen werden.
Gesetzgeber behindert Gewerkschaften
In seiner jährlichen Übersicht über die die Verletzungen von Gewerkschaftsrechten in Kolumbien stellt der IGB fest, dass die im Arbeitsrecht herrschende Politik und die zugrundeliegenden Gesetze mehr als zwei Drittel der Beschäftigten in Kolumbien aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutzmaßnahmen ausnehme. Das bedeutet, dass mehr als zwölf Millionen Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind.
Kaum Tarifverträge
Zur Verschleierung der prekären Beschäftigungsverhältnisse dienen verschiedene Vertragsformen wie Arbeits- und Dienstgemeinschaften, zivilrechtliche oder kommerzielle Verträge, die es den Beschäftigten nicht erlauben, Gewerkschaften zu gründen oder ihnen beizutreten. Hierzu gehören auch die so genannten Arbeitskooperativen – Pseudegenossenschaften mit denen Arbeitnehmer in einer Art Scheinselbständigkeit gehalten werden. Daher verwundert es nicht, dass laut IGB nur 1,2 Prozent der Beschäftigten in Kolumbien Schutz durch einen Tarifvertrag genießen.
Rolle der ILO
Die kolumbianischen Gewerkschaftsverbände haben in den letzten Jahren verstärkt mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zusammengearbeitet und dort mit Unterstützung deutscher und europäischer Gewerkschaften Anzeigen gegen Verstöße der ILO-Richtlinien erstattet. An der gewerkschaftsfeindlichen Politik der kolumbianischen Regierung hat das bisher freilich wenig geändert.
Gewerkschaften gegen Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien
Auch die Europäische Union lässt sich von den andauernden Verstößen Kolumbiens gegen internationale Arbeits-Richtlinien nicht davon abhalten, mit dem rohstoffreichen Land im Norden Südamerikas über ein Freihandelsabkommen zu verhandeln. Sowohl die kolumbianischen Gewerkschaften, als auch IG Metall, der IGB und der europäische Dachverband der Gewerkschaften (EGB) haben sich gegen dieses Abkommen ausgesprochen. Der Kongress der Vereinigten Staaten und das kanadische Parlament haben die Verhandlungen mit Kolumbien über das Freihandelsabkommen bereits wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen gestoppt.
Die Folgen des Abkommens für das kolumbianische Volk
Freddy Pulecio von der von der kolumbianischen Gewerkschaft der Erdölarbeiter (USO) ist der Meinung, das Freihandelsabkommen hätte negative Konsequenzen für die Rechte der Bevölkerung – nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern auch im Gesundheitswesen sowie bei der Wahrung der intellektuellen Eigentumsrechte „Kolumbien verfügt über erhebliche Energieressourcen, neben Erdöl und Erdgas immens große Kohlevorkommen. Wir möchten diese Reichtümer nutzen, um Arbeitsplätze, gesellschaftlichen Wohlstand und soziale Sicherheit zu schaffen. Das ist mit den Freihandelsabkommen, wie sie derzeit verhandelt werden, jedoch kaum vereinbar“, sagte der Gewerkschafter in einem Interview.