Der eigentliche Held dieser Geschichte ist Kushtrim Berisha. Der 25-jährige (rechts im Bild) arbeitet im Sprinter-Werk von Daimler in Düsseldorf. Einen Tag nach der Flut erzählt seine Kollegin Lejla vom Schicksal ihrer Familie. Deren Haus in Dernau ist im Hochwasser abgesoffen. Die fünfköpfige Familie ist über Nacht obdachlos geworden und notdürftig in einem Kloster untergekommen. Lejlas Mutter hat noch drei Töchter, das jüngste ist neugeboren und gerade acht Tage alt.
Als das Hochwasser kam, waren sie gottseidank mit dem Auto unterwegs. Aber der 13jährige Bruder erlebt die Sintflut vor Ort allein im Haus in Dernau. Mit knapper Not kann er sich zu Nachbarn in ein höhergelegenes Haus retten. Eingeschlossen von Wassermassen muss er eine ganze Nacht ausharren. Für zwei Nachbarinnen kommt jede Hilfe zu spät.
Das Schicksal von Lejlas Familie beeindruckt Kushtrim Berisha. „Mir kam spontan die Idee, wir fahren da hin und schauen, ob wir helfen können.“ Kushtrim telefoniert rum. Im Betrieb und bei Kumpels in anderen Unternehmen, bei der IG Metall in Düsseldorf-Neuss. Ruckzuck hat er eine Truppe von 15 Leuten zusammen, die bereit sind, schon am nächsten Morgen in das Überschwemmungsgebiet zu fahren. Der Jugendsekretär der IG Metall Düsseldorf-Neuss, Christian Mansfeld, besorgt einen Transporter, den sie vollpacken mit Wasserflaschen, Suppe, Kaffee und jede Menge Besen und Schaufeln, die ihnen der örtliche Baumarkt sponsort. Aus dem Daimler-Werk schließt sich noch der Meister Mathias Lübner an. Mit dabei auch Beschäftigte von ABB, Vallourec und Speira.
Als der Hilfstrupp in Dernau ankommt, sieht es aus wie im Kriegsgebiet. Überall Bundeswehr, Polizei, Technisches Hilfswerk. Die Leute schieben blanke Panik, als das Gerücht die Runde macht, dass der Damm brechen und eine weitere Flutwelle einbrechen könnte. Der Job, der auf die Metaller*innen wartet, ist nicht ungefährlich. Sie müssen sich erst einmal Zugang zu dem Haus von Lejlas Mutter verschaffen. Der Schlamm ist kniehoch. „Wir haben eine Kette gebildet und das ganze verdreckte Zeug, Möbel, Kleider rausgeschafft. Das Fachwerkhaus hat sich vollgesogen wie ein Schwamm. Meine Familie war erst vor zwei Jahren hierhergezogen“, sagt Lejla. Der einstmals idyllische Ort mitten in den Weinbergen ist jetzt ein Ort des Grauens.
Kushtrim und seine Kolleg*innen stellen mitgebrachte Bänke und Tische auf. Sie teilen Wasser an die Bewohner aus, verteilen Suppe, machen Kaffee. „Die Leute waren total glücklich, sich mal hinsetzen zu können. Die mussten ja aus ihren Häusern raus und waren schon stundenlang auf den Beinen gewesen“, sagt Kushtrim. Eine vollkommen verstörte Frau erzählte ihm von der Nachbarin, die in den Fluten umkam. Die hatte sich das Bein gebrochen, konnte sich nicht aus ihrer Wohnung befreien und rief um Hilfe. Das Wasser stieg immer weiter, und irgendwann waren die Hilferufe nicht mehr zu hören, weil die Frau ertrunken war.
„Wir waren alle erschüttert. Mich hat das daran erinnert, was meine Familie damals vor über 25 Jahren im Krieg im Kosovo erlebt hat“, sagt Kushtrim. Seine Eltern waren damals so froh gewesen, als deutsche Hilfe kam. Jetzt kann Kushtrim etwas zurückgeben. Der Einsatz der IG Metall Jugend dauert einen ganzen Tag lang bis in die Nachtstunden. Sie versorgen die Bewohner mit Strom, Süßigkeiten, geschmierten Brötchen. Was übrig ist, geben sie am Ende des Einsatzes an der Sammelstelle in der Kirche ab. Gegen Mitternacht treffen sie verdreckt und müde wieder in Düsseldorf ein.
Das Haus von Lejlas Eltern ist leergeräumt, aber unbewohnbar und muss wohl abgerissen werden. Überall hat sich Heizöl aus den Tanks verbreitet. Es stinkt modrig. Ein Ende der Aufräumarbeiten ist noch lange nicht in Sicht. Die Metaller*innen planen für das kommende Wochenende den nächsten Einsatz in Dernau. Da wird jede helfende Hand gebraucht. „Wir sind so dankbar für die Hilfe der IG Metall“, sagt Lejla.
Einige Menschen haben keine Angehörigen mehr, die ihnen helfen können. Sie wissen nicht, wie sie in ihre Wohnung hineinkommen und wer ihnen dabei helfen soll, Wertgegenstände und die liebsten Schätze aus der Wohnung zu holen, die vielleicht noch vorhanden sind. „Gemeinsam mit unserem Team konnten wir an vielen Stellen helfen“, sagt der Jugendsekretär Christian Mansfeld. Er organisiert für das kommende Wochenende den nächsten Besuch. Das IG Metall-Freiwilligenteam wird wieder dabei sein. Mit dem technischen Hilswerks und dem DRK vor Ort wird der Einsatz abgestimmt. „Wir gedenken der Opfer der Hochwasserkatastrophe.“ Die freiwillige Aktion fand riesigen Widerhall auf Facebook und zeigt, wie wichtig es ist, solidarisch zu sein.
Der DGB-Bundesvorstand hat eine Spendenaktion zugunsten der Geschädigten der Hochwasserkatastrophe im Südwesten und Westen Deutschlands ins Leben gerufen. Daran beteiligen sich der DGB mit 100 000 Euro und die Mitgliedsgewerkschaften mit etwa 150 000 Euro. Zudem werden die Mitglieder der DGB-Gewerkschaften zu Spenden aufgerufen.
Spendenkonto:
Gewerkschaften helfen e.V.
Bank: Nord LB
IBAN: DE55 2505 0000 0152 0114 90
BIC: NOLADE2HXXX
Stichwort „Fluthilfe 2021“
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