Die Beschäftigten von Thyssen-Krupp haben in den vergangenen Jahren einiges mitgemacht. Erst der lange Konflikt um die Abspaltung der Stahlsparte. Dann die Auseinandersetzung mit den Finanzinvestoren Cevian und Elliott, die den Mischkonzern ganz zerlegen wollten. Dazu die Führungskrise, nachdem zwei Chefs an der Spitze im Juli kurz hintereinander das Handtuch warfen: der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger und Aufsichtsratschef Ulrich Lehner.
Mit ihrem Abgang war Markus Grolms, Gewerkschaftssekretär beim IG Metall-Vorstand und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, plötzlich, unerwartet und ungewollt die schwierige Rolle zugefallen, den Part von Lehner zu übernehmen und die Probleme in den Griff zu bekommen. Zum Beispiel die Suche nach einem neuen Mann an der Spitze. Die Finanzinvestoren wollten, dass der Vorstandsvorsitz mit einem Externen besetzt wird, aber alle möglichen Kandidaten lehnten dankend ab. Metallerinnen und Metaller können vieles, wenn es – im Interesse der Beschäftigten – sein muss, auch den Job der Arbeitgeber übernehmen. Und sie können ihn gut machen. Das zeigen die Ergebnisse, die der Aufsichtsrat unter Grolms’ Leitung am Sonntag beschlossen hat.
Der Konzern wird in zwei eigenständige börsennotierte Unternehmen aufgeteilt. In der neuen Aktiengesellschaft (AG) Industriegüter („Industrials“) werden die Konzernteile Aufzüge, Anlagenbau und Autozulieferbereiche zusammengefasst. Neu hinzu kommt System Engineering; dazu gehören zum Beispiel Produktionsstraßen für Autofabriken. Zur AG Werkstoffgeschäfte(„Materials“) gehören der Anteil an dem mit dem indischen Tata-Konzern fusionierten Stahlunternehmen, der Werkstoffhandel, die stahlnahe Weiterverarbeitung und der Bereich Marine.
„Die Zukunftsstrategie, die der Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp am Sonntag – mit den Stimmen aller zehn Arbeitnehmervertreter – beschlossen hat, macht Sinn“, sagt Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall. „Es ist uns gelungen, den Ausverkauf einzelner Konzernteile zu verhindern, den die Investoren betrieben haben. Das zeigt, wie wichtig eine starke Mitbestimmung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist.“
Hofmann betont: „Für uns war entscheidend, dass die Beschäftigung und Standorte langfristig gesichert werden. Das haben wir mit der Grundlagenvereinbarung, die der Aufsichtsrat am Sonntag mitbeschlossen hat, erreicht. Sie schließt betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit der Teilung des Konzerns aus.“ In beiden Unternehmen gelten alle bestehenden tariflichen und betrieblichen Regelungen, die für die Beschäftigten abgeschlossen wurden, weiter. Und im gesamten Prozess ist die Mitbestimmung garantiert. „Das ist uns vor allem im Hinblick auf die Investitions- und Personalplanung wichtig“, erklärt Hofmann. „Wir werden im weiteren Prozess darauf dringen, dass die finanzielle Tragfähigkeit der neuen Unternehmen gewährleistet und durch Gutachten von Wirtschaftsprüfern belegt werden.“
Gleichzeitig hat der Aufsichtsrat am Sonntag dafür gesorgt, dass der geplante Umbau wieder mit einer stabilen Führung angegangen werden kann. Guido Kerkhoff, der nach dem Abgang von Hiesinger dessen Posten als Vorstandschef vorübergehend übernommen hatte, wurde für weitere fünf Jahre als Vorstandsvorsitzender bestätigt. Das langjährige Aufsichtsratsmitglied Professor Bernhard Pellens ist neuer Aufsichtsratsvorsitzender. Für fünf weitere Jahre bestätigt wurde auch der bisherige Arbeitsdirektor und Personalvorstand: der ehemalige IG Metall-Bezirksleiter in Nordrhein-Westfalen Oliver Burkhard.