Fünf Jahre lang hat Manuela Kleinert (*Name geändert) um einen Vollzeitjob gekämpft. Gekämpft im wahrsten Sinne des Wortes. Nach der Geburt ihres ersten Kindes wechselte Kleinert, die als Sachbearbeiterin bei einem Automobilhersteller arbeitet, vor etwa 18 Jahren in Teilzeit. Sie arbeitete in der gleichen Abteilung wie zuvor, doch nur noch 25 Stunden. Die Arbeitszeit konnte sie auch eine ganze Weile lang nicht aufstocken, da inzwischen ihr zweites Kind geboren wurde.
Nur irgendwann wurden die Kinder selbständig und die Angestellte hätte gerne wieder Vollzeit gearbeitet, zumal sie inzwischen alleinerziehend war. Auch, weil sie das Geld gut gebrauchen konnte. Doch die Vorgesetzten blockierten. Schlüssige Argumente nannten sie ihr nicht. „Nur leere Versprechungen und Ausflüchte bekam ich zu hören“, so Kleinert.
Und hingehalten wurde sie oft monatelang. „Zwei Mal gelang es mir, befristet für jeweils ein Jahr Vollzeit zu arbeiten, als andere Mitarbeiter in Elternzeit gingen“. Doch sogar als eine andere Sachbearbeiterin in der Abteilung ihre Arbeitszeit reduzierte, konnte Kleinert nicht länger arbeiten. Sie wollte ihr Arbeitspensum um die Stunden, die die Kollegin weniger arbeitet, aufstocken. Das hätte das Arbeitszeitkontingent der Abteilung nicht belastet. Doch ihre Vorgesetzten lehnten das ab. Der Hürdenlauf zu einer Vollzeitstelle ging weiter.
Zwischenzeitlich wurde Kleinerts Tätigkeit niedriger eingruppiert und als wieder einmal Neueinstellungen anstanden, erklärte ihr Chef ihr, darauf könne sie sich nun in Vollzeit bewerben. Kleinert wollte diesen „Humbug“ aber nicht mitmachen. Handelte es sich doch um ihre eigene Stelle, nur schlechter bezahlt. Es folgten Gespräche mit dem Betriebsrat, dem Personalmanager und zahlreichen Vorgesetzten – jedoch ohne Erfolg. „Man kommt sich vor wie ein Bettler. Dabei wollte ich ja gar keine Almosen. Schließlich hätte ich ja die volle Arbeitsleistung erbracht“, erklärt Kleinert.
Seit etwa einem Jahr hat Manuela Kleinert wieder eine Vollzeitstelle. Ein neuer Vorgesetzter hatte irgendwann ein Einsehen und hat sich für sie eingesetzt. Manuela Kleinert ist kein Einzelfall. Viele Teilzeitbeschäftigte müssen jahrelang auf ihrer reduzierten Arbeitszeit ausharren, weil sie keine Chance auf eine Vollzeitstelle bekommen – manche sogar bis zur Rente.
Hierzulande wird viel über Vereinbarkeit diskutiert. Unternehmen schmücken sich gerne mit dem Attribut „familienfreundlich“. Doch ein Blick hinter die Kulissen offenbart, dass es hier noch viel zu tun gibt – beispielsweise bei der Arbeitszeit. Wer Nachwuchs bekommt, muss schnell feststellen, dass sich der Tagesablauf ändert, mehr Zeit für die Kinderbetreuung notwendig wird – doch die Anforderungen und Bedingungen im Job bleiben. Das setzt junge Eltern massiv unter Druck. In vielen Fällen reduziert ein Partner, meist die Frau, in dieser Lebensphase die Arbeitszeit. Allzu oft ohne das Recht auf die Rückkehr zu einer längeren Arbeitszeit.
Dass es auch anders geht, zeigt Schweden. Hier ist Familienfreundlichkeit eine Selbstverständlichkeit. Probleme mit starren Arbeitszeiten kennen die Arbeitnehmer dort nicht. Wenn die Kinder krank sind, bleibt der Mitarbeiter zu Hause und die Lebenspartner wechseln sich ab, wenn der Nachwuchs von der Kita abgeholt werden muss. Das akzeptieren die Kollegen ebenso wie der Chef. Denn für alle sind solche Arbeitsbedingungen selbstverständlich. Das schwedische Modell bringt nachweislich Erfolge: Die Beschäftigungsquoten von Frauen und Müttern dort zählen im EU-Durchschnitt zu den höchsten und die Armutsquote bei Kindern ist niedrig. Die schwedische Regierung unterstützt das Modell der Doppelverdiener-Familie und gewährt Frauen und Männern viele Rechte und Vergünstigungen hinsichtlich Familie und Job, damit Vereinbarkeit gelebt werden kann.
Die IG Metall fordert einen gesetzlich geregelten Anspruch darauf, dass Beschäftigte in Teilzeit ihre Arbeitszeit auf Vollzeit aufstocken können, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. „Das ist ganz wichtig für die Beschäftigten, die wegen Kindererziehung oder Pflege zeitweise aus dem Job aussteigen wollen“, erklärt Christiane Benner, die Zweite Vorsitzende der IG Metall.
Auch die Unternehmen sollten ein Interesse an einer klaren gesetzlichen Regelung haben. Denn ihnen geht durch ihre starre Haltung ein enormes Fachpotenzial verloren, auf das sie doch in Zeiten des Fachkräftemangels nicht verzichten können. „Wer die Besten will, kann auf Frauen nicht verzichten“ so die Kampagne der IG Metall. Und das bedeutet: „Wer die Besten will, kann nicht mehr auf das gesetzliche Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit verzichten“, erklärt Christiane Benner.